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Wachkoma

Wachkoma

Titel: Wachkoma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmin P. Meranius
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Das solltest du dir merken. Ich würde zu sehr vorweggreifen, wenn ich dir jetzt schon erklären würde, weshalb und wie ich immer wieder hier bin.“
    Er griff nach den Lauchstangen und legte sie Beata genauso wortlos neben das Schneidebrett wie zuvor schon den Ingwer. Er fuhr schließlich fort: „Und wichtig ist, dass man als Spiritueller für sein Tun und Handeln keine Anerkennung erwartet. Erwartest du Anerkennung, Beata?“
    „Ich finde an Anerkennung nichts Verwerfliches. Ehre, wem Ehre gebührt – sagt man das nicht auch außerhalb der deutschen Grenzen?“, verteidigte sie sich, ohne lange nachzudenken, und glaubte, ihn mit diesem Argument ausgestochen zu haben.
    „Aha. Da haben wir doch schon das erste Problem, das dir Yoga so erschwert“, stellte Didier fest. „Aber es soll ja zur Umorientierung im Leben verhelfen, sodass diese Affektiertheit irgendwann einmal kein Hindernis mehr für dich sein wird. Anerkennung wird zudem sowieso überbewertet, denn es geht gerade beim Yoga um so viel mehr: nämlich darum, eins zu sein mit der Natur und dem Kosmos. Aber das wirst du schon noch selbst erfahren.“
    Eins werden mit der Natur und dem Kosmos – diese Worte hatten Beatas Interesse geweckt.
    Sie griff zur ersten Lauchstange und war gespannt darauf, was Didier ihr darüber erzählen würde.
    „Im Yoga allgemein und auch in unserer ersten Übung heute ging es darum, seinen Energiepunkt zu spüren.Fühlen wir an diesem Punkt einen Schmerz, dann stimmt dort auch etwas nicht. Hast du vielleicht Probleme mit deinem Bauch? Mit dem Magen oder vielleicht mit dem Darm?“, fragte Didier ungeniert.
    „Na ja“, stammelte Beata. Mit solch einer Frage hatte sie nicht gerechnet. „Ich habe offen gesagt eine chronische Gastritis.“
    „Aha. Da haben wir doch schon das nächste Problem, das dir Yoga so erschwert. Ist die Gastritis etwas, das du ignorierst oder unterdrückst?“, fragte er und klang dabei, als kenne er bereits die Antwort.
    Beata versuchte, den Anschein zu erwecken, als würde sie darüber erst einmal nachdenken müssen, und antwortete nicht sofort.
    „Wenn du heute meintest, nichts spüren zu können, lag das vielleicht auch daran, dass du nichts spüren wolltest.“
    Beata wusste nicht, ob sie Didier eigenartig oder großartig finden sollte. Auf jeden Fall beeindruckte er sie. Denn hinter dem, was er sagte, steckte doch deutlich mehr, als eingangs von ihr gedacht. Und er hatte nicht ganz unrecht mit seiner Vermutung, ohne dass sie das jemals offen gesagt hätte.
    „Gastritis hin, Gastritis her“, fasste Didier zusammen, „Yoga hat die zentrale Aufgabe, dazu beizutragen, dem eigenen Wesen wieder näher zu kommen und den persönlichen Handlungshorizont zu erweitern. Körperlich und psychisch. Das gibt wieder eine Perspektive im Leben.“
    Beata hatte gehofft, dass er etwas in dieser Art sagen würde, ihr mit seinen Worten Mut machen könnte, Neues zu sehen. Schon viel zu lange gab es nur die eine Perspektive in ihrem Leben – und die zielte nicht auf das Leben an sich ab, sondern auf die Karriere. Auch wenn sie da nicht die einzige Frau war, wollte sie das nicht mehr.
    Beatas letzte Affäre, die vor knapp vier Jahren in die Brüche ging, ließ sie schließlich alles verdrängen, was noch an Glauben an ihr Privatleben vorhanden war.
    Viel zu sehr nahm er ihr die Möglichkeit, sich auf ihren Job zu konzentrieren, wenn er immerzu mehr Zeit einforderte, die sie neben ihrem Job nicht aufbringen konnte. Und auch nicht wollte.
    Sie wusste, dass Entwicklung und beruflicher Erfolg nichts waren, das einem zufällt – sodass sie ihre Prioritäten setzen musste. Und die Affäre beendete.
    Warum hatte sie Didier nicht schon früher getroffen? Schon früher mit dem Yoga begonnen?
    Er schien der Schlüssel zu ihrem Problem zu sein.
    Yoga schien der Schlüssel zu ihrem Problem zu sein.
    ***

Beata, Didier und die anderen löffelten nur kurze Zeit darauf die fruchtige Apfel-Curry-Suppe und ließen sich von ihr vitalisieren.
    Beata fühlte sich innerlich zumindest sehr vitalisiert.
    So ließ es sich Beata auch am nächsten Tag nicht nehmen, wieder pünktlich zum Kursbeginn beim Yoga zu erscheinen. Diesmal natürlich ohne Schuhe.
    Die Übungen waren ähnlich wie am Vortag und fielen Beata schon nicht mehr so schwer wie beim ersten Mal.
    Als sie wieder in ihren Bauch hineinhören sollte, glaubte sie sogar, etwas zu spüren – ein Gefühl, das immer stärker auf sich aufmerksam machte, je mehr sie sich darauf

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