Wachkoma
mir. Andere sehen das manchmal sogar besser als man selbst. Dazu hatte ich erst kürzlich einen wirklich aufschlussreichen Workshop.“
Didier wusste nicht um die Ironie ihrer Worte und so lächelte er sie einfach nur freudig an. Er war vielleichtso groß wie Beata und trug um das Handgelenk großen, auffälligen Schmuck, wie Silvester auch. Es war sehr aufwendig und fein gearbeitetes Gold, mit vielen kleinen Schleifen und Schlaufen verziert, gekrönt mit roten Edelsteinen.
Der Schmuck könnte aus Indien stammen, vermutete Beata, bereits auf dem Weg zur Küche.
In der kleinen Hotelküche bereitete Didier dann gemeinsam mit den anderen aus dem Kurs schon mal alles für die indische Apfel-Curry-Suppe vor.
„Während das Fräulein vielleicht schon mal den Ingwer reibt, könnte ich ihr etwas über Yoga erzählen“, schlug Didier vor und reichte Beata wie selbstverständlich ein Schneidebrett.
„Mein Name ist Beata, so können wir uns das Fräulein sparen“, korrigierte sie ihn, in der Hoffnung, er würde sie künftig bei ihrem Namen nennen.
„Freut mich, deine Bekanntschaft zu machen, Beata“, entgegnete er und streckte ihr aufgeschlossen seine Hand hin.
„Ja, freut mich auch“, sagte Beata, nahm kurz seine Hand zum Gruß und griff dann gleich nach der Wurzel. „Dann werde ich mal den Ingwer reiben.“
„Ingwer ist angenehm scharf und schön würzig. Er gibt der Suppe den entsprechenden Pfiff “, erklärte Didier.
„Aber eigentlich wollte ich ja etwas ganz anderes erzählen. Über Yoga wollte ich etwas sagen. Ich nehme an, das heute war dein erster Kurs, oder? Ich besuche diesen Kurs nämlich schon sehr lange und meine, dich dort bisher noch nicht gesehen zu haben.“
„Ja, das ist richtig“, antwortete ihm Beata. „Es war tatsächlich mein erster Yogakurs. Oder besser gesagt, mein erster Yoga-Versuch. Irgendwie ist das nicht so ganz das Richtige für mich. Ich bin mehr die Ausdauersportlerin.“
Sie rieb den Ingwer über dem Schneidebrett, während Didier die Äpfel in kleine Stücke schnitt.
„Yoga gibt einem die Möglichkeit, Geist und Körper zusammenzubringen. Man spricht auch von einer Integration von Geist und Seele“, begann er in einem ganz bestimmten Tonfall, als erzähle er soeben von dem Beginn einer langen Geschichte.
„Ja, das klingt sinnvoll“, unterbrach ihn Beata und griff bereits nach dem nächsten Stück Ingwer. „Manchmal ist der Körper nämlich schneller als die Seele und man muss abwarten, bis die Seele einen wieder eingeholt hat.“
„Oder über Meditation selbst dazu beitragen, dass die Seele sich wieder dem Körper annähert“, ergänzte Didier und lächelte einfühlsam.
„Das ist leichter gesagt als getan“, widersprach Beata etwas zu vehement für Didiers Geschmack.
„Warum so ungeduldig? Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Zudem ist Ungeduld eine schlechte Angewohnheit der Deutschen. Ich habe lange im Ausland gelebt – war viel in Afrika und überwiegend in Indien unterwegs. Und glaube mir, da stieß auch ich mitmeiner deutschen Geduld an meine Grenzen. Doch statt mich daran unentwegt zu stoßen, veränderte ich einfach meine Einstellung dazu.
Sie ist schließlich nur ein kleiner Pinselstrich in meinem großen Bild, das ich mir so im Laufe meines Lebens von den verschiedenen Dingen gemalt habe. Und nicht immer auch Bestandteil des Bildes meines Gegenübers. Also überdachte ich die Wertigkeit für diesen Pinselstrich, um das Konfliktpotenzial zweier aufeinandertreffender Bilder zu minimieren. Klingt gut, oder?“
Didier lachte laut auf.
Beata hingegen lächelte lediglich. Sie bemühte sich jedoch, nett zu Didier zu sein.
„Doch wir sollten vielleicht bei der Philosophie des Yoga beginnen“, fuhr Didier ambitioniert fort und kehrte zurück zu seiner „Geschichte“.
„Da es verschiedene Formen von Yoga gibt, gibt es auch verschiedene Philosophien, die sich dahinter verbergen. Früh schon wollte man die menschliche Natur und ihren Geist erforschen. Spirituelle suchten hierbei den Weg durch Yoga. Es verlangt viel Selbstdisziplin und Selbstbeherrschung. Bist du diszipliniert und beherrscht?“, fragte Didier schmunzelnd.
„Ich denke schon. Beruflicher Natur sind diese Eigenschaften bei mir zumindest sehr stark ausgeprägt“, antwortete sie ihm überzeugt.
„Das ist gut. Denn durch die Kontrolle der Kräfte ist der Spirituelle nämlich dazu in der Lage, sich mit der sogenannten Weltseele zu verbinden. Dem höchsten deseigenen Seins.
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