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Wachsam

Wachsam

Titel: Wachsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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der andere stromab.«
    »Wie wir«, flocht Cassidy bescheiden ein.
    »Nicht wir ; ich , Dummer. Ich habe eine doppelte Persönlichkeit. Zwei ganze und ganz verschiedene Persönlichkeiten in einem einzigen Kopf. Ich bin nicht ein Fisch, ich bin zwei Fische, das ist das Gelbe vom Ei.« Sie las weiter. »Entscheidende Ereignisse erwarten Sie in dieser Woche. Ihr größter Wunsch könnte Wirklichkeit werden. Zögern Sie nicht. Ergreifen Sie die Gelegenheit, jedoch nur vor dem neunten oder nach dem fünfzehnten. Herrje, welchen haben wir heute?«
    Ich liebe dich, dachte er. Ich liebe deine Ohren, die durch dein langes braunes Haar spitzen; ich liebe deine Direktheit, den Schwung und die Leichtigkeit deines jungen Körpers, ich möchte dich heiraten und den Griechenstrand mit deinen Babys teilen.
    »Den dreizehnten«, sagte er, nachdem er auf den Datumsschlitz seiner goldenen Armbanduhr geschaut hatte.
    »Ist mir egal«, sagte Angie resolut. »Immer haben sie auch nicht recht, also zum Teufel damit.«
    Sie lag flach auf dem Rücken und betrachtete nachdenklich Che Guevara.
    »Ist mir egal, ist mir egal, ist mir scheißegal «, wiederholte sie hitzig und starrte dem großen Revolutionär ins Auge. »Es ist eine Wolke. Eines Tages wird der Wind kommen und sie wegblasen, und auch dann noch ist es mir egal. Machst du es oft, Aldo? Schläfst du mit vielen Mädchen?«
    »Es ist mir so bestimmt«, sagte Cassidy, und sein Seufzer eines müden Wanderers wies auf die einsame Straße und den langen Weg und die seltenen Augenblicke des Trostes.
    »Faß dich nur wieder, Garbo«, sagte Angie.
    Immer noch nackt, kochte sie Kakao für ihn, klapperte wie eine fluchende Göttin in der winzigen Kochnische mit dem Geschirr; ein Kind, von hinten durch das orangefarbene Licht vom Fenster beleuchtet, das einen heimlichen Schmaus im Schlafsaal bereitet. Und danach versprach sie ihm, würden sie es wieder machen. Ihre Brüste bewegten sich mit ihr, nicht ein Zittern; ihr langer Oberkörper besaß die Hoheit einer Statue. Sie setzte sich rittlings mit gespreizten Knien auf ihn und baute eine Sandburg. Beugte sich vor und küßte ihn, während sie ihn langsam in das tiefe Becken ihrer Hüften lockte.
    »Er war so ein Widerling, mein Dad«, sagte sie später, immer noch schreckerfüllt, ihre runde Wange preßte sich dankbar an seine Schulter, und ihre Hand hielt ihn leicht. »Aber deine Kinder lieben dich wirklich , nicht wahr, Aldo?«
    »Ich liebe dich «, sagte Cassidy, und fand es ausnahmsweise nicht schwierig, diese Worte auszusprechen.
     
    Ast, eine ältere Dame, gute drei Jahre älter als Cassidy, aber noch nicht ausgesprochen gebrechlich, lebte dem Erdboden näher, aber bei größerer Fülle. Im Bett war sie riesig, etwa das Doppelte ihres angekleideten Gewichts, schätzte er, und dachte flüchtig an Cassius Clay; und wenn sie sich seitwärts drehte, um mit ihm zu sprechen, nagelte ihr schwerer Ellbogen ihn an die Matratze.
    Die Wände von Asts Wohnung hingen voll mit ungerahmten Bildern erst noch zu entdeckender Künstler; ihre Fenster lagen einem Museum gegenüber, und ihr Interesse an Cassidy war nach der ersten Runde im wesentlichen historischer Natur.
    »Wann hast du’s gewußt? « fragte sie, in einem Ton, der erkennen ließ, daß Liebe auf dem Forschungsweg beweisbar sei. » Aufrichtig , Aldo. Wann ist es dir gedämmert?«
    Aufrichtig, dachte Cassidy, überhaupt nie.
    »War es«, schlug sie vor, um seinem Gedächtnis nachzuhelfen, »an dem Abend bei den Niesthals, beim Cembalo-Konzert? Du hast mich angesehen, zweimal. Wahrscheinlich erinnerst du dich gar nicht mehr.«
    »Aber gewiß doch, natürlich«, sagte Cassidy höflich.
    »Oktober. Im goldenen Oktober.« Sie seufzte. »Mein Gott, man redet soviel schmalziges Zeug, wenn man verliebt ist. Ich dachte, du wärst nur ein langweiliger … geiler … Geschäftsmann.«
    Cassidy teilte ihre Erheiterung über dieses lächerliche Fehlurteil. »Wie falsch. Wie völlig falsch ich dich einschätzte.«
    Langes, bedeutungsleeres Schweigen.
    »Du liebst Musik, nicht wahr, Aldo?«
    »Wüßte nicht, was mir lieber wäre«, sagte Cassidy.
    »Ich wußte es. Aldo. Warum führst du Sandra nicht in Konzerte? Sie bemüht sich so verzweifelt, den Geist zu verstehen . Du mußt ihr helfen, verstehst du. Ohne dich ist sie nichts. Nichts.« Die Bedeutung ihrer Worte ging ihr plötzlich mit Schrecken auf. »O Gott, was habe ich gesagt! Verzeih mir, sag, daß du mir verzeihst.«
    »Schon in Ordnung«,

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