Wachstumsschmerz

dezentem Herrenparfüm, ganz leichtem Schweiß und dem allgemeinen Duft eines lebendigen Körpers. Bei Gerüchen bin ich eigen, fast ein wenig Grenouille-esk. Daher hat Flo früh aufgehört, neue Pflegeprodukte auszuprobieren, wissend, dass nur eine einzige veränderte Komponente seines Geruchgerüstes mein geliebtes Gesamtbild einstürzen lässt.
    Also hing ich wie ein unförmiger Rucksack an Flos Rücken und atmete gierig Versöhnung. Und zum ersten Mal seit wir uns kennen, stellte sie sich nicht ein.
    »Du wirst schwer«, sagte Flo, sich mit seinem Mädchengepäck langsam in der Kassenschlange vorschiebend.
    »Und du riechst falsch«, sagte ich leise und schnallte mich wieder von seinem Rücken ab.
    Und da stand ich hinter meinem gebückt bezahlenden Freund: erschrocken und verunsichert Flos Rücken anstarrend, als wenn dieser mir höchstpersönlich den richtigen Geruch, das richtige Gefühl, die gewünschte Versöhnung verwehrt hätte.
    Im Auto fuhren wir schweigend, und selbst das Radio tat nur so, als wenn alles in Ordnung wäre, und spielte angespannt Fahrstuhlmusik.
     
    Jetzt stehe ich mit einer kleinen Schippe in der Hand tatenlos auf dem Balkon, während Flo raue Mengen Erde hin und her schichtet und von Arnes nahender Hochzeit erzählt. Ich ziehe kurz in Erwägung, ihm einfach die lächerliche Dekoschaufel in meinen Händen über die Birne zu ziehen, um ihn zu zwingen, über uns und nicht Arne zu reden. Allerdings wäre die Wunde wenig eindrucksvoll und die Geste unangenehm hysterisch, und sie würde auch wenig bringen. Flo hat einfach allen Baumarktstress bereits weggeschlossen. Geschluckt, verschnürt und in seinen schier endlos weiten Gedärmen für immer verschwinden lassen. Sein Gorleben-Magen.
    »Manchmal habe ich Angst, dass du eines Nachts aufwachst, von dem ganzen tröpfchenweise angesammelten Hass für mich übermannt wirst und mich im Schlaf mit einer Bratpfanne erschlägst«, sage ich leise.
    Flo sieht überrascht von seiner »Compo«-Qualitätsblumenerde auf und lächelt.
    »Im Ernst. Ich weiß, dass du mich manchmal zum Kotzen findest. Du sagst nie etwas, aber ich kann sehen, dass ich dich treffe. Weshalb wehrst du dich denn nicht? Weshalb lässt du mich einfach wie ein Amokläufer durch deine Gefühle rennen und alles kurz und klein schießen?«
    Flo legt seine (bedeutend eindrucksvollere) Schippe in den halbgefüllten Blumenkasten, streicht sich den Schweiß von der Stirn weg und gleichzeitig ein wenig Erde hin und atmet ein. Ich warte, ob er auch wieder ausatmet, macht er aber nicht. Nach ein paar Momenten atemloser Stille sagt Flo: »Keine Ahnung.« Und atmet aus. Als wenn er eine gültige Antwort abgegeben hätte. Um Ruhe bemüht, drehe ich die kleine Schippe in meiner Hand hin und her und starre auf die noch uneingepflanzten Astern. Eigentlich ist es eine schöne Auswahl, die Flo da im Baumarkt getroffen hat.
    »Aber du musst dich doch wehren! Du kannst mich doch nicht einfach immer so rumzetern lassen, ohne mal etwas zu sagen! Du verziehst mich damit vollkommen, und es ist ungesund, den ganzen Scheiß immer zu fressen!«
    »Aber ich will dich nicht verändern«, sagt Flo irgendwie erschöpft.
    »Weil ich wunderbar bin, so wie Mutter Zorn mich erschaffen hat?«
    »Du weißt, wie ich das meine.«
    »Ja. Und das finde ich falsch. Wenn ich Fehler mache, muss man mich darauf hinweisen. Du stehst mir von allen Menschen am nächsten, meine Erziehung ist auch ein bisschen dein Job!«, sage ich und wedle theatralisch mit dem Schippchen.
    Flo kuckt ganz geknickt und sagt: »Ich will aber nicht, dass es mein Job ist. Du hast grade Stress, du weißt nicht, wohin mit dir beruflich, und das Zusammenziehen ist auch eine neue, nicht so leichte Situation. Es ist vollkommen verständlich, dass du so gereizt bist.«
    Puh. Mit dem guten Cop streiten ist gar nicht so einfach.
    »Aber das rechtfertigt doch nicht mein Verhalten. Und ehrlich gesagt, rechtfertigt es auch nicht dein Verhalten. Du brauchst mehr Rückgrat. Du musst ein wenig mehr kämpfen, sonst macht dich irgendwann irgendwer platt. Wenn ich es nicht vorher schon erledigt habe.«
    »Ich
habe
Rückgrat!« Natürlich. Irgendwann kriegt man Flo immer. Jungs und ihr Rückgrat. Rückgrat ist die neue Schwanzmetapher. Sag, was du willst, aber das Rückgrat ist tabu!
    Ich gebe auf. Das Streiten und das Pflanzen. Die zwei Dinge passen einfach nicht zusammen. Das eine kann ich gut, das andere Flo. Also lege ich meine affige Schippe aufs Fensterbrett und