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Wackelkontakte - Kein Sex geht gar nicht

Wackelkontakte - Kein Sex geht gar nicht

Titel: Wackelkontakte - Kein Sex geht gar nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leipert Sabine
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Tim rief ununterbrochen meinen Namen. Ich schwamm ganz leise, um die Rufe besser orten zu können. Sie wurden lauter.
    »Tim, keine Sorge, ich bin gleich da.« Ich wusste nicht, ob ich wirklich ihn oder eher mich damit beruhigen wollte. Es war unheimlich, so allein in dieser nachtschwarzen Brühe. Ich musste immer daran denken, was alles im Dunkeln unter meinen Beinen herschwamm.
    Plötzlich hörten Tims Schreie auf. O Gott. Nur keine Panik. Das Wichtigste war, im Wasser die Ruhe zu bewahren. Bloß keine Panik.
    »Tim!!! Tim, verdammt, wo bist du?« Ich schaute mich um, aber alles war grau in grau vor lauter Nebel. Na super, Karina, tolle Idee, nachts schwimmen zu gehen. Jetzt bewegte sich auch noch unter mir etwas. O Gott, irgendetwas Großes berührte mich! Eine riesige Schlingpflanze wickelte sich um meinen Knöchel und zog mich unter Wasser …
    »AAAAAAAHHHH!«
    Von wegen Schlingpflanze. Diese Schlingpflanze war menschlich und gehörte zur Familie der Riesenarschlöcher. Als ich wieder auftauchte, schwamm Tim vergnügt neben mir und spritzte mich nass.
    »Was soll denn der Scheiß«, fauchte ich ihn an. »Verdammt, ich habe mir echt Sorgen gemacht.« Und zum Beweis drückte ich ihn erst mal ordentlich unter Wasser.
    Aber Tim lachte immer noch, als er wieder auftauchte. »Ich wollte dich ja nur ein bisschen aufmuntern.«
    »Ja, wunderbar. Mir geht’s jetzt auch schon viel besser.«
    Ich ließ ihn zurück und schwamm Richtung Strand.
    »Äh, Karina, der Strand ist aber da drüben.«
    »Tim, das ist jetzt echt nicht mehr witzig. Ich weiß genau, dass wir in diese Richtung müssen.«
    Ausnahmsweise gab Tim nach, und wir schwammen in meine Richtung, bis wir merkten, dass sie uns kein bisschen näher an den Strand führte. Also folgten wir Tims Vorschlag. Ohne Erfolg. Wir schwammen zurück und dann wieder zurück, und irgendwann wussten wir nicht mehr, wo dieses Zurück eigentlich war.
    Ich spürte Panik in mir hochsteigen. So ernst hatte ich das vorhin wirklich nicht gemeint. Ich wollte verdammt nochmal älter werden als dreißig, und zwar viel älter. Verstanden!? Wer auch immer da oben dafür verantwortlich war, dass meine gedankenlos dahergesagten Wünsche seit kurzem einfach so in die Tat umgesetzt wurden!
    Tim und ich schwammen eine Weile auf der Stelle und versuchten, unsere Orientierung wiederzugewinnen. Tim war inzwischen ganz still geworden, wenn man mal von seinem schweren Atem absah.
    »Also gut, Karina. Ich gebe … mich geschlagen. Ich habe … keinen … Schimmer, wo wir … sind. Ich weiß nur … , dass ich … ich … kann nicht mehr.«
    Und diesmal war es kein Scherz. Er konnte kaum noch sprechen. Meine Kräfte ließen auch langsam nach, und außerdem merkte ich jetzt wieder, wie kalt das Wasser war.
    So würde ich also sterben. Einfach so im Lago Maggiore untergehen. In der Nacht vor meinem Geburtstag. Interessant. Es war auch nicht unbedingt der unspektakulärste Tod. Ich hatte eher damit gerechnet, mit sechzig langsam in einem schlecht gelüfteten Krankenhauszimmer an meiner Raucherlunge zu Grunde zu gehen. So gesehen, war Ertrinken natürlich viel schneller. Aber auch nicht gerade angenehm. Keiner würde jemals wissen, wo ich war. Einfach verschwunden. Während des Urlaubs. Ausgerechnet mit Tim. Tina würde denken, dass ich ihr wieder den Freund ausgespannt hätte. Dass wir vor ihr auf der Flucht waren. Bis an ihr Lebensende. Das war wohl meine Bestimmung. Ich nahm ihr selbst im Tod noch den Freund weg. Das wunderte mich nicht.
    Was mich allerdings wunderte, war, dass ich hier seelenruhig vor mich hin dümpelte und über meinen Tod sinnierte. Ich hatte immer gedacht, dass ich die letzten Minuten vor meinem Tod viel hektischer verbringen würde. Weil ich noch so viel zu erledigen hätte. Beichten. Die besten Sex and the City -Folgen anschauen. Meine Memoiren schreiben. Tonnen von Schokoladeneis essen. Stattdessen konnte ich sogar noch in Ruhe über die Ironie des Schicksals philosophieren. Das war vielleicht auch der Vorteil, wenn man ertrank. Um einen herum gab es nur Wasser. Kein Telefon. Kein Papier für das Testament. Und keinen, mit dem man sich noch in letzter Minute versöhnen musste.
    »Karina?«
    Fast keinen.
    »Keine Angst, ich lebe noch.«
    »Das tut mir … leid … mit dem … schlechten Scherz vorhin.« Tim verbrachte seine letzten Minuten vor dem Tod offenbar mit ähnlichen Gedanken wie ich. »Karina, was ich dir … noch sagen wollte. Ich sag das … jetzt nicht, weil du … die

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