Wackelkontakte - Kein Sex geht gar nicht
Stolz zeigte Tina uns ihre neuesten Errungenschaften, machte uns hier auf die türkisen Tapeten, dort auf den pinkfarbenen Duschvorhang aufmerksam und malte sich und uns aus, wie das Haus erst aussähe, wenn sie alle ihre Pläne umgesetzt haben würde.
Als es schließlich nichts mehr zu zeigen gab und wir auch die Farbe des neuen Klodeckels bewundert hatten, gingen wir zur Zimmerverteilung über. Früher war dies immer der Moment gewesen, in dem Tina und ich uns heillos zerstritten, weil wir beide das größte der kleinen Schlafzimmer mit Blick auf den See haben wollten und am Ende immer den Kürzeren gegen ihre Eltern zogen. Aber diesmal wollte ich Tina und Tim großzügig den Vortritt lassen. Tina hatte für mich sowieso das kleinste Schlafzimmer mit der ältesten Matratze reserviert.
»Du musst leider nochmal auf dem alten verrosteten Teil da pennen, aber bei Özlem quietscht es zu sehr.« Dabei zeigte sie uns Özlems und Matthias’ Schlafzimmer, das sie offenbar nur in dringenden Notfällen verließen. Tina öffnete die Tür zum letzten und größten Schlafzimmer. Dort gab es ein großes Ehebett, das nur auf der Fensterseite belegt war, wobei Tina im Gegensatz zu Özlem und Matthias ihre Bettdecke sorgfältig zusammengefaltet hatte – fast zu sorgfältig.
»Und das ist mein Zimmer, und äh, Tim, du kannst natürlich gerne … «
Tina wurde tatsächlich ein wenig rot, aber Tim kam ihr zuvor: » … auf dem neuen Sofa im Wohnzimmer schlafen. Klar, kein Problem.«
Wie bitte? Er verzichtete freiwillig auf das größte Schlafzimmer mit Aussicht auf den Lago und Tina? Ich warf Tina hinter Tims Rücken einen fragenden Blick zu, aber unsere Zeichensprache reichte für dieses komplexe Thema nicht aus. Also wartete ich, bis Tim ins Wohnzimmer zurückgegangen war, und versuchte es nochmal auf die klassische Art: »Stimmt irgendwas zwischen euch nicht? Habt ihr euch gestritten?«
»Nein, wieso?« So eine knappe Auskunft gab es von Tina selten, das musste sie sich wohl bei Özlem abgeschaut haben.
»Ja, weil ihr … wieso will er denn nicht mit dir, ich meine, bei dir … «
Allerdings verstand Tina schneller, worum es ging.
»Na klar, du denkst natürlich mal wieder nur an das Eine, Schätzchen. Aber es gibt auch noch Leute, die steigen nicht sofort beim ersten Date mit einem ins Bett.«
»Waaaas? Du warst noch nicht mit ihm im Bett?«
Ich hatte ihren Seitenhieb geflissentlich überhört, schließlich ging es hier um wichtigere Dinge.
»Pssst! Nicht so laut. Nein, war ich noch nicht!«
»Du meinst, ihr habt noch nicht … «
»Tim ist eben kein Typ für’ne schnelle Nummer, und ehrlich gesagt, steh ich da total drauf. Ich hab echt das Gefühl, das wird was Ernstes.«
So hatte ich das noch nie gesehen. Jetzt beneidete ich Tina sogar, weil meine Beziehungen bisher wohl eher etwas einseitig verlaufen waren.
»Wow. Das freut mich für dich, echt. Ihr wollt es euch also für später aufbewahren. Sozusagen für … O mein Gott, Tina, wollt ihr etwa heiraten?«
»Na, jetzt übertreib mal nicht gleich, Schätzchen. Nur weil wir keinen Sex haben, müssen wir ja nicht gleich heiraten.«
Das war wenigstens wieder die alte Tina. Wir kicherten immer noch, als wir schon wieder bei den anderen im Wohnzimmer waren.
Der Abend wurde richtig gemütlich. Tina hatte uns als Willkommensgruß ein italienisches Drei-Gänge-Menü gekocht, das wir mit jeder Menge Chianti hinunterspülten. Und als wir alle schon reichlich angetrunken waren, holte Matthias auch noch seine Gitarre hervor, und wir setzten uns auf die Terrasse, um Lagerfeuerschnulzen zum Besten zu geben.
Ausnahmsweise fühlte ich mich in diesem Urlaub als fünftes Rad am Wagen richtig wohl. So konnte ich die Vormittage allein und in Ruhe am Strand verbringen, da Özlem und Matthias die Ruhe im Haus genießen wollten, während Tim und Tina sich auf den Märkten herumtrieben. Denn auch wenn sie mit der einen Leidenschaft noch etwas warteten, lebten sie eine andere Leidenschaft gemeinsam voll aus. Sie liebten es, italienisch zu kochen, und konnten stundenlang nebeneinander am Herd stehen, um neue Rezepte auszuprobieren. Nach einem ausgiebigen Mittagessen tummelten wir uns nachmittags dann meistens zusammen am See. Alles in allem, ein Urlaub wie aus dem Katalog. Sonnig, faul und harmonisch. Bis zu meinem Geburtstag.
Genau genommen war es die Nacht vor meinem Geburtstag. Ich lag hellwach in meinem alten quietschenden Bett, wälzte mich von einer Sprungfeder zur anderen
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