Wackelkontakte - Kein Sex geht gar nicht
herumschwirrte: »Also, wie ernst ist es denn jetzt eigentlich zwischen dir und Tim?«
»Wieso, hat er irgendetwas gesagt?«, fragte Tina überrascht.
»Nein, nicht direkt.«
Tina schaute mich verwirrt an, und es dauerte einen Moment, bis sie sich wieder gefangen hatte: »Ach, ich weiß nicht. Ich glaube fast, du hast recht. Tim ist doch echt etwas verklemmt. Oder?«
Ich nickte.
»Diese ganze Romantik-Nummer ist ja schön und gut, und man muss ja auch nicht gleich am ersten Abend miteinander ins Bett springen, aber ewig will ich auch nicht warten.«
Ich nickte wieder.
»Und ehrlich gesagt, ich glaube, da läuft noch was mit einer anderen!«
Ich nickte nicht mehr, sondern erstarrte. »Mit … einer anderen?«
»Ja, Sabine oder … «
»Sabrina? Echt? Das gibt es doch nicht! So ein verdammtes Arschloch!«
Tina schaute mich besorgt an: »Ist ja nur so ein Verdacht.«
Insgeheim hatte ich gehofft, dass Tinas Antwort mir für meinen gestrigen Rückfall in alte Verhaltensmuster die Absolution erteilen würde. Aber anstatt endlich ein klares Bild von Tims und Tinas platonischem Liebesverhältnis zu bekommen, hatte ich nun endgültig den Überblick verloren.
Wie viele Frauen hatte Tim eigentlich? Tina sprach offensichtlich seine romantische Seite an, seine Exfreundin war wohl für die sichere Familienplanung zuständig, und ich sollte nun noch sein Bedürfnis nach schnellem Sex befriedigen, oder was?! Ich machte noch einmal drei Kreuze für die leere Kondompackung.
Tina machte ohne Vorwarnung eine Rechtskurve und hielt ebenso abrupt an, weil sie eine Parklücke entdeckt hatte. Wir waren am Café Krümel angekommen. Davor begrüßte uns Özlem mit einem wildfremden Mann im Schlepptau.
»Darf ich vorstellen, Aygün, mein zukünftiger Mann.«
Die letzten Worte hatte sie nicht ohne Stolz gesagt, und das, obwohl sie bis vor kurzem noch in Tränen ausgebrochen war, wenn wir auf ihre bevorstehende Hochzeit zu sprechen gekommen waren. Ich hatte dieses Phänomen schon bei anderen Freundinnen beobachtet, die ihre Anti-Ehe-Parolen zunächst nicht laut genug hinausposaunen konnten, nur um später vor uns Singles mit »ihrem Ehemann« anzugeben. Bei Özlem hatte ich das allerdings nicht erwartet, schließlich war sie an ihrer eigenen Hochzeit gänzlich unbeteiligt. Aber nun fühlte sie sich scheinbar uns notorischen Beziehungsversagern gegenüber überlegen. Zugegebenermaßen hatte es sie nicht so schlecht getroffen, wie wir es uns an langen Abenden in der Kneipe ausgemalt hatten. Aygün war weder die kleine, dickbäuchige Glatzenvariante, die Tina so vehement vertreten hatte, noch die aufgeblasene Machovariante, die ich erwartet hatte. Von allen potentiellen kurdischen Terroristen war er sicherlich der sympathischste. Er wirkte zwar etwas ausgemergelt, hatte aber noch volle schwarze Haare und war sogar größer als Tina, was sie mit Wohlwollen zur Kenntnis nahm. Auch Özlems Befürchtungen, ab nun von einem dunkelbraungebrannten Schlägertypen mit mehr Bizeps als Hirn herumkommandiert zu werden, bewahrheiteten sich zum Glück nicht. Der Kerl hatte weder ein Fitness- noch ein Sonnenstudio jemals von innen gesehen und war als Türsteher ganz und gar unbrauchbar. Im Gegenteil, er wirkte fast ein bisschen eingeschüchtert, als er uns aus seinen dunklen Augen verständnislos ansah.
»Guten Tag.« Aygün gab uns höflich die Hand, und Özlem betrachtete ihn stolz, als wäre er ihr Sohn, der gerade seine ersten Worte von sich gegeben hatte.
»Wir wollen übrigens noch dieses Jahr heiraten«, strahlte sie – und dieses »wir« war für meine heute ohnehin etwas angegriffene Harmonie-Toleranzgrenze zu viel. Es platzte einfach so aus mir heraus:
»Ja, ganz toll, Özlem, herzlichen Glückwunsch. Da können wir uns ja alle freuen. Und übrigens wäre ich dir und Matthias sehr dankbar, wenn ihr das nächste Mal meine Kondomvorräte wieder aufstocken könntet, wenn ihr schon alle verbraucht. Oder gibt es etwa kein nächstes Mal mehr, jetzt wo du heiratest?«
Ich wusste nicht, warum ich das sagte. Vielleicht, weil ich die Hochzeit immer noch für einen großen Fehler hielt, weil ich Özlem an Matthias und die negativen Seiten ihres Ehelebens erinnern wollte, vielleicht aber auch nur, weil Özlem verdammt nochmal kein Recht auf ein weniger kompliziertes Beziehungsleben hatte als Tina und ich. Aber noch während ich es sagte, wusste ich, dass es ein Fehler war. Nicht nur, weil ich Özlem innerhalb von Sekunden vom vorehelichen
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