Wackelkontakte - Kein Sex geht gar nicht
Höhenflug an den Rand einer tränenreichen Beziehungskrise geführt hatte, sondern weil ich auf die verhängnisvolle leere Kondompackung zu sprechen gekommen war.
Sofort war Tina zur Stelle: »Ach, Özlem, Karina hat es doch nicht so gemeint. Mann, Karina, deine Ego-Trips kannst du dir echt für später aufbewahren, oder heißt das etwa, du bist wieder im Rennen?«
Tina war die Einzige, die in der Lage war, allein mit ihrem Tonfall so klar zwischen einem Anschiss und einer neugierigen Frage zu trennen, dass sie beides in einem Satz verbinden konnte. Ich konnte das nicht und wusste daher nicht, auf welchen Teil ihrer Bemerkung ich zuerst reagieren sollte. Erwartungsgemäß überwog bei Tina die Neugierde. »Davon hast du ja noch gar nichts erzählt. Jetzt sag bloß, deine Trauerarbeit für Frank ist vorbei, und du hattest endlich wieder Sex?!«
»Wie denn, ohne Kondome!«
Ein bisschen Wahrheit konnte manchmal von der ganzen Wahrheit ablenken.
»Aber es gibt jemanden, mit dem du Sex haben könntest?« Özlem, die ihre Krise schon wieder überwunden hatte, ging wesentlich analytischer vor als Tina, was viel gefährlicher war.
»Nein, ich habe nur zufällig die leere Kondompackung gesehen und dachte, es könnte ja rein hypothetisch sein, dass ich demnächst irgendwann einmal, wenn Gott und der männliche Teil der Bevölkerung es wollen, wieder Sex haben könnte, und genau dann wäre es hilfreich, Kondome im Haus zu haben. Oder sind die inzwischen out?«
»Ach komm, Schätzchen, verarschen können wir uns selber. Wer ist denn der Glückliche?« Tina und Özlem starrten mich gespannt an, und ich hatte das Gefühl, dass auch Aygün die deutsche Sprache wesentlich besser verstand, als er vorgab.
»Es ist wirklich nichts Besonderes«, winkte ich ab.
»Das macht ja nichts, dann fängst du eben mit einem Unwichtigen an, das ist sowieso besser. Also, wer ist es?«
Ich wusste, dass Tina und Özlem mich nicht gehen lassen würden, bis ich ihnen einen Namen genannt hatte.
»Udo.«
»Udo?«
»Ja, Udo, vom Sport.«
Er war der Einzige, von dem ich mir sicher sein konnte, dass Tina und Özlem ihn nicht kannten und auch nie kennenlernen und daher nie erfahren würden, dass Udo fünfundvierzig war und eine Halbglatze samt Frau mit drei Kindern hatte. Zum Glück stellte sie diese Antwort zufrieden, und nachdem ich eine Weile darüber nachgedacht hatte, kam mir Udo sogar ganz gelegen. Was auch immer an diesem Tag noch an Unvorhersehbarem auf mich zukommen sollte, Udo war schuld.
NUMMER 34
»Timmiie! Timmmiiieee! Da liegt jemand in deinem Bett!«
Es war fünf Uhr morgens, eine blonde Frau stand kreischend in Tims Schlafzimmer, und der Jemand in seinem Bett war ich. Es dauerte eine Weile, bis ich die blonde Frau als Sabrina identifiziert hatte. Ihr stand sicherlich mehr Daseinsberechtigung in Tims Schlafzimmer zu als mir, trotzdem hielt ich ihr Kreischen für unangebracht, denn es verdarb jegliche Chance, die Angelegenheit schnell und unter Frauen zu regeln. So aber stand nur Sekunden später Tim persönlich im Türrahmen und starrte mich nicht weniger, wenn auch anders überrascht an als seine Freundin.
»Karina, was machst du denn hier?«
»Schlafen.«
Die Erklärung war zwar richtig, aber aufgrund unserer Vorgeschichte nicht unbedingt überzeugend. Wahrscheinlich wurde sie auch dann nicht überzeugender, wenn ich die Schuld für diese missverständliche Situation nun einzig und allein Özlem, oder besser, ihrem Vater in die Schuhe schob. Ich hatte Özlem versprochen, dass sie und Matthias sich vor Özlems Hochzeit noch einmal so richtig bei mir austoben dürften. Und weil ich ungern vom Wohnzimmer aus ihr Gestöhne mitanhören wollte und mein Sofa sowieso nicht mehr das jüngste war, hatte ich es mir spontan in Tims riesigem Doppelbett bequem gemacht.
Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er jetzt schon wieder aus den Staaten zurückkam. Und noch weniger hatte ich damit gerechnet, dass er seine Ex- oder was auch immer Freundin mitbrachte. Jetzt kam mir meine spontane Idee ziemlich blöd vor, und ich bettelte insgeheim darum, ein Spalt möge sich in der Matratze auftun und mich für immer verschlucken. Aber alles Betteln half nichts. Ich musste wohl oder übel den altmodischen Weg durch die Tür wählen, der von Sabrina, Tim und einem Stapel Reisetaschen versperrt wurde.
Aber nachdem ich Tim und Sabrina eine Weile angestarrt hatte, Tim mich eine Weile angestarrt hatte und Sabrina nicht wusste, ob sie nun Tim oder
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