Wackelkontakte - Kein Sex geht gar nicht
die Hochzeit nicht stattfinden kann. Warst du etwa Fußball spielen?«
»Was? Äh, nein, also doch, aber das ist eine längere Geschichte. Am besten beruhigst du dich erst mal, und wir besprechen alles in Ruhe bei einem Glas Wein.«
Aber Özlem hatte sich schneller beruhigt als notwendig und wartete interessiert auf meine längere Geschichte. Ich schloss die Tür auf und erzählte ihr nebenbei von Udos Jobangebot, Tims bereitwilliger Hilfe und unserer mehr oder weniger erfolgreichen Fußballstunde. Aber alles, was Özlem interessierte, war: »Udo, ist das nicht dein neuer Lover?«
Es war immer wieder erstaunlich, wie schnell ihr Problem zu meinem werden konnte. Tim folgte uns ins Treppenhaus. Daher beeilte ich mich, das Gespräch schnell wieder auf Özlems Probleme zu bringen.
»Nein, Udo ist nicht mein neuer ›Lover‹, schließlich hatten wir ja nicht wirklich was miteinander«, flüsterte ich ihr zu. »Also, warum kann die Hochzeit jetzt nicht stattfinden?«
Özlem blieb abrupt stehen und schaute mich entsetzt an: »Du meinst, ihr habt nie miteinander geschlafen, weil ich deine ganzen Kondome verbraucht habe?«
Das hatte man nun davon, wenn man Gerüchte in die Welt setzte. Tim kam immer näher, und Özlem setzte gerade dazu an, meine fiktive Affäre mit meinem zukünftigen Chef lang und breit auszuwalzen. Ich spürte, wie ihre Stimmung wieder umschwenkte und ein weiterer Tränenausbruch bevorstand, und wandte schnell ein: »Aber Özlem, das hatte doch nicht nur mit den Kondomen zu tun. Wir hatten auch sonst große Schwierigkeiten. Sehr große Schwierigkeiten … , persönliche Differenzen, unüberwindbare persönliche Differenzen sogar und … «
Es war zu spät. Özlem verlor vollends ihre Fassung, und das gerade in dem Moment, als Tim neben ihr stand und sie mitfühlend fragte, ob alles okay sei.
»Nein«, jammerte sie. »Nichts ist okay. Gar nichts ist okay. Erst bringe ich Tina dazu, meinen Terroristen zu heiraten, und dann ruiniere ich auch noch Karinas Nacht mit Udo, und alles nur, weil ich zu feige bin, meinem Vater von Matthias zu erzählen, und Karinas Kondome aufbrauche, und jetzt kriegt sie bei Udo vielleicht keinen Job mehr, und das ist alles meine Schuld.«
Tim war regelrecht zusammengezuckt und schaute Özlem hilflos an. Ich winkte ab und zerrte sie in meine Wohnung, bevor sie noch mehr Unheil anrichten konnte. Ich setzte sie aufs Sofa, drückte ihr eine Küchenrolle in die Hand, von der sie in regelmäßigen Abständen ein Tuch abriss, vollschnäuzte und auf den Boden warf, und köpfte eine Flasche Rotwein, während Özlem sich für sämtliche Beziehungsprobleme in ihrem Freundeskreis, die hohe Scheidungsrate in Deutschland und der Türkei sowie den Untergang der gesamten ostanatolischen Familientradition verantwortlich machte. Bis sie sich endlich beruhigen konnte, hatte ich die Hälfte der Weinflasche alleine ausgetrunken, weil ich mich darüber ärgerte, dass ich Udo Özlem gegenüber überhaupt jemals in einem anderen Zusammenhang als mit meiner Arbeit erwähnt hatte.
»Das kann ich doch nicht zulassen, oder?«, unterbrach Özlem meine Grübelei, aber ich hatte ihr schon längst nicht mehr folgen können.
»Was kannst du nicht zulassen?«, fragte ich vorsichtig, weil ich Angst hatte, damit wieder einen Wort- und Wasserschwall auszulösen.
»Dass Tina Aygün für mich heiratet?« Özlem schniefte laut, und ich reichte ihr ein Glas Wein, um länger nachdenken zu können.
»Ach, Özlem, ich meine, du kennst doch Tina. Sie hat sich das gut überlegt, und außerdem ist so eine Hochzeit auch gar nicht so endgültig.«
Özlem starrte mich verwirrt an und versuchte, aus meiner Antwort schlau zu werden. So richtig schlau wurde ich aus meiner Antwort selbst nicht, aber bei Özlem wirkten solche wirren Erklärungen manchmal Wunder. Diesmal ließ sie allerdings nicht so schnell locker: »Ich weiß, dass Tina sich längst entschieden hat. Deswegen frage ich ja auch dich.«
»Aber ich bin in Heiratsangelegenheiten nun wirklich keine Expertin.«
»Ja, eben. Du bist neutral.«
»Danke.«
»Also, findest du es richtig, dass Tina Aygün heiratet, nur damit ich Matthias heiraten kann?«
Ich fand, dass solche wichtigen Fragen lieber nicht von einem Laien wie mir entschieden werden sollten. »Ich weiß nicht, Özlem. Einerseits ist es sicherlich, also wenn man es genau betrachten will, vielleicht eher ungewöhnlich, aber andererseits ist Tina volljährig und im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte
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