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Wackelkontakte - Kein Sex geht gar nicht

Wackelkontakte - Kein Sex geht gar nicht

Titel: Wackelkontakte - Kein Sex geht gar nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leipert Sabine
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wusste ich, was ein Golden und ein Silver Goal war, ich kannte mich in der Bundesliga, der Champions League, dem DFB-Pokal, dem UEFA-Cup, der EM-Qualifikation und David Beckhams Frisuren aus. Ich erkannte auf Anhieb, wann ein Spieler im Abseits stand. Ich kannte den Unterschied zwischen Abstoß und Ecke, direktem Freistoß und indirektem Freistoß, Dreierangriffs- und Viererabwehrkette. Ich erkannte jeden einzelnen Spieler aus jeder Bundesliga-Mannschaft. Ich kannte die Tabellen der ersten und zweiten Bundesliga samt Punktestand und Tordifferenzen auswendig und übertrumpfte Tim schon bald mit meinen Spiel-Tipps. Ich war die Fußballexpertin, die Udo sich immer gewünscht hatte. Und als ich dachte, es gäbe nichts mehr zu lernen, stand Tim plötzlich mit Schienbeinschonern und Fußball vor meiner Tür und drückte mir ein Paar Fußballschuhe in die Hand.
    »Nee, ne?!«
    »Doch!«
    »Ich will nur darüber schreiben, ich hatte nicht vor, Deutschland ins nächste WM-Finale zu schießen.«
    »Als Sportjournalistin musst du auch wissen, worüber du schreibst. Jeder gute Fußballreporter hat mal selbst gespielt.«
    Ich schaute ihn gequält an, aber seine Unnachgiebigkeit hatte ich in den letzten vier Wochen nur zu gut kennengelernt. Tim war zwar ein guter Lehrer, aber er war auch furchtbar streng und duldete keinen Widerspruch. Also kramte ich meine kaum benutzte Jogginghose aus der hintersten Schublade hervor, zog mein ältestes T-Shirt an und suchte nach einer bequemen Jacke, denn selbst der herannahende Winter hielt Tim nicht von unserer Trainingseinheit ab.
    Wir liefen langsam zum nahe gelegenen Park – das Wichtigste am Sport war schließlich das Aufwärmen – und begannen, den Ball hin- und herzuschießen. Oder vielmehr, Tim schoss den Ball, während ich ihn durch einen unkontrollierten und eher zufälligen Körperkontakt in sämtliche Richtungen beförderte. Nach einer Weile dämmerte mir, dass Fußballspielen durchaus ein Fulltime-Job war, wenn man es anständig betreiben wollte. Was im Fernsehen so leicht aussah, Eckstöße, Vierzigmeterpässe und Volley-Schüsse aufs Tor, war in Wirklichkeit knochenharte Arbeit – und verdammt schmerzhaft. Ich hätte nie gedacht, dass ein Ball so hart sein konnte. Schon nach den ersten »Schüssen« taten mir der Fuß, das Schienbein und die rechte Schulter weh, weil ein an Tim adressierter Ball plötzlich aus fünf Metern Höhe wieder auf mich hinuntergesegelt war. Tim zeigte mir dagegen, wie man einen Ball schmerzlos mit dem Fuß, der Brust und dem Kopf annahm und wie man einen Vollspannschuss von einem Schuss mit dem Außenrist unterschied. Er demonstrierte mir wirkungsvoll, wie man einem Gegner den Ball abnahm und ihn anschließend schwindelig dribbelte.
    Nachdem ich eine Ewigkeit geschossen, geköpft und gedribbelt hatte, wobei bei mir letztendlich alles auf ein und dasselbe hinauslief, war ich der Meinung, dass das Training nicht wirklich zu Fortschritten führte, und ließ mich einfach auf den Rasen plumpsen. Ich konnte nicht mehr. Seit der sechsten Klasse, als ich von einem fiesen Sportlehrer zum ersten und letzten Drei-Kilometerlauf meines Lebens gezwungen worden war, hatte ich nicht mehr so viel Sport getrieben. Ich sehnte mich zum ersten Mal seit Wochen nach einer Zigarette, weil ich fürchtete, mein Körper könnte mit so viel Sauerstoff auf einmal nicht umgehen, und streckte mich keuchend auf dem Rasen aus. Tim kam zu mir herübergetänzelt und stellte dabei sein fußballerisches Können noch einmal eindrucksvoll unter Beweis, indem er den Ball über eine Strecke von zehn Metern mit Kopf, Brust, Knie und Fuß in der Luft hielt.
    Er setzte sich neben mich auf den Rasen: »Das war doch für den Anfang schon mal nicht schlecht. Gleich üben wir mal, wie man schießt, ohne in Rücklage zu kommen.«
    »Gleich?«, keuchte ich. »Tim, es gibt kein ›gleich‹. Ich werde mich von diesem Fleck heute keinen Millimeter mehr wegbewegen.«
    Tim grinste: »Du solltest wirklich mal mehr für deine Kondition tun.«
    »Hey, ich finde eine Stunde Fußball ist für jemanden mit meinem Trainingsrückstand ziemlich gut.«
    »Du meinst eine halbe Stunde.«
    »Mir kam es aber wie Stunden vor, und danach richtet sich mein Körper eben.«
    Ich schloss die Augen und atmete ein paar mal tief durch. Als ich die Augen wieder öffnete, sah ich, dass Tim mich beobachtete.
    »Was? Ich versuche nur, meinen Puls wieder irgendwo in die Nähe von hundertachtzig zu drücken.«
    Tim wandte sich

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