Wächter der Macht 05 - Opfer
hätte beinahe losgekreischt, denn er hatte alles um sich herum ausgeblendet. Dann aber sah er in das Gesicht seiner Mutter. Doch irgendetwas war ganz und gar nicht in Ordnung.
»Mom! Wer hat dich geschlagen?«
»Vergiss das, Ben.« Sie drückte ihn an sich, und es war eine irgendwie verzweifelte und erdrückende Umarmung. »Ich habe einige Fragen an dich, und diesmal werde ich mich auf keinen Fall abwimmeln lassen.« Sie packte ihn an den Schultern und musterte ihn, als würde sie nach Verletzungen suchen. »Das hier bleibt zwischen dir und mir, das schwöre ich. Dein Vater wird nichts davon erfahren.«
Schließlich landeten sie in einem Tapcafe im Osarianer-Viertel. Der Tisch war schmierig, und jedes Mal, wenn er sich darauf stützte, blieben die Ellbogen von Bens Jacke daran kleben. Doch hier kannte sie niemand. Selbst wenn das Essen schmackhaft und nicht sengend heiß gewesen wäre, hätte Ben es nicht angerührt, denn er hatte keinen Appetit.
Mara senkte die Stimme. »Ich will wissen, warum du auf Vulpter gewesen bist.«
Ben war sprachlos. Woher, bei allen Welten, wusste sie das? Wer hatte geredet? Das Ganze war streng geheim. Selbst bei der GGA waren die meisten darüber nicht informiert.
»Da war ich nicht.«
»Du kannst dir das Spielchen sparen. Ich weiß, wo du warst, und ich habe das schreckliche Gefühl, dass ich weiß, warum du dort warst. Der ganze Planet hat es in den Nachrichten gesehen.«
Mara schaute ihn einfach an. ohne zu blinzeln, und mit einem Mal war sie nicht mehr seine Mom. Man hatte ihn angewiesen, alles zu leugnen. Er starrte schweigend zurück.
»Ich könnte Jacen fragen, Liebling, aber ich bin mir nicht einmal sicher, dass ich ihm glauben könnte, wenn ich ihn nach der Uhrzeit frage.«
»Du weißt, dass ich nicht über meine Arbeit sprechen kann, Mom.«
»Oh, das weiß ich. Ich habe meine Vergangenheit nie vor dir verheimlicht, und ich weiß genau, was deine Arbeit mit sich bringt. Ich werde mit dir wie mit einem Erwachsenen reden. Ben, denn wenn man erst mal die Art Job gemacht hat, die du machst, ist man kein Kind mehr. Verstehen wir uns?«
Ben dachte an Jori Lekauf, und sein Magen verknotete sich. Er wollte verzweifelt damit herausplatzen, dass sein Kumpel gestorben war und dass er die Zeit zu dem Moment zurückdrehen wollte, bevor er in dieses Schlamassel hineingeraten war, und dass ... dass ...
»Mom ...« Er brachte es nicht über die Lippen. Sie legte ihre Hand auf seine und drückte sie. »Mom, wenn ich es dir sage, verrätst du mir dann, wer dich geschlagen hat?«
»In Ordnung. Es war Lumiya. Ich habe sie aufgespürt, aber sie ist entkommen. Aber vorher habe ich ihr eine anständige Tracht Prügel verpasst, und beim nächsten Mal wird sie nicht wieder davon-kommen. Jetzt du.«
Ben nahm einen tiefen Atemzug. Das hier würde entweder alles besser machen, oder es war der Anfang von etwas Verheerendem. Er vermochte es nicht zu sagen, all seine Machteindrücke hatten ihn im Stich gelassen.
»Ich war es, Mom.«
»Warst du daran beteiligt - oder hast du es getan?«
Bens Mund übernahm ohne seine Erlaubnis die Kontrolle. »Eine Karpaki mit Klappschaft, Splittergeschoss.«
Mara lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, und ihre linke Hand bewegte sich, als wäre sie drauf und dran, sie vor ihren Mund zu legen, während die rechte Hand seine nach wie vor fest umklammert hielt.
»Okay«, sagte sie dann.
»Lekauf wurde getötet, Mom.« Ben konnte sich nicht entsinnen, ob sie Lekauf kannte oder nicht. Es spielte keine Rolle. Er musste seinen Namen sagen und es irgendjemandem erzählen. »Jori wurde getötet - er wurde getötet, um meine Haut zu retten.«
Mara beschäftigte sich damit, an der Tasse vor sich zu nippen. Osarianer mochten sehr stark duftende Kräuter, und Ben wusste, dass es ihm niemals wieder möglich sein würde, dieses Aroma zu riechen, ohne an diesen entsetzlichen Augenblick zu denken.
»Warum hast du das getan. Ben?«
»Befehl. Ich war dafür am besten geeignet.«
»Fehlt es deiner ganzen Kompanie plötzlich an Scharfschützen? Auf wessen Befehl hin?«
»Jacens.«
Mara gelang es recht passabel, sich nichts anmerken zu lassen, aber Ben ließ sich nicht täuschen. Sie war fuchsteufels-wütend. Er konnte es daran erkennen, wie weiß ihre Haut auf einmal war, und der Kontrast zu den gelb werdenden Blutergüssen rings um ihr Auge machte es bloß noch deutlicher.
»In Ordnung, Liebling«, sagte sie. »Einigen wir uns darauf, es nicht deinem Dad zu erzählen,
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