Wächter der Menschheit - Green, S: Wächter der Menschheit - The Man with the Golden Torc
setzen, wie der Teufel zu fahren und meine Feinde meine Auspuffgase schlucken zu lassen.
In der Nähe von Bristol fuhr ich von der M4 ab, mittlerweile Leonard Cohens I'm Your Man mitsummend, und ließ die Hauptstraßen rasch hinter mir, während die Gegend immer ländlicher wurde. Ich lenkte den Wagen über immer schmalere Straßen, bis die viel befahrenen Routen ein gutes Stück hinter mir lagen und aus den Sträßchen bessere Feldwege wurden, die nicht mal mehr Markierungen oder Leuchtnägel in der Fahrbahnmitte aufwiesen. Die Morgenluft war klar und belebend, erfüllt vom Duft nach frisch gemähtem Gras und dem unverkennbaren Geruch, der die Anwesenheit von Kühen verrät: Der Südwesten ist Milchland. Kleine Marktflecken wichen noch kleineren Dörfern und Weilern, bis schließlich das Sträßchen, dem ich folgte, sich unvermittelt in einen unbefestigten Feldweg verlor, den schwere Landmaschinen tief aufgewühlt hatten. Ich fuhr weiter, langsamer jetzt, folgte einem gewundenen Weg durch dunkle und brütende Wälder, in deren allgemeine Düsternis sich goldene Speere von Sonnenlicht den Weg erzwangen wie Scheinwerferstrahlen voller tanzender Staubteilchen. Ich bremste stark ab, um dem Zusammenstoß mit einem Dachs von der Größe eines Schweins zu entgehen, der über den Weg wanderte und tatsächlich den Nerv hatte, mir einen bösen Blick zuzuwerfen, bevor er ins Unterholz wegtrippelte. Rotwild mit Augen, die in den Schatten funkelten, beobachtete mich still von den Seiten.
Ich bog um eine scharfe Kurve, und der Weg endete abrupt an einer hohen Steinmauer, die unter einem jahrhundertelangen Bewuchs von kriechendem Efeu begraben war. Jeder andere wäre voll in die Eisen gestiegen, aber ich fuhr einfach weiter. Die Steinmauer türmte sich drohend vor mir auf, fürchterlich massiv und unversöhnlich, füllte mein Gesichtsfeld aus, und dann war ich in ihr und durch sie hindurch, und die Illusion zerteilte sich harmlos um mich herum und strich mir mit Fetzen gespenstischen Mauerwerks wie mit frostigen Fingerspitzen durchs Gesicht.
(Für einen Drood ist es eine Illusion. Für jeden anderen ist es eine solide Steinmauer. Und wenn Sie dagegenknallen, kommend Sie bloß nicht weinend zu uns gerannt! Geschieht Ihnen ganz recht, wenn Sie versuchen, uns zu finden!)
Strahlendes Sonnenlicht überflutete den Wagen, als ich die Illusion hinter mir gelassen hatte und dem von zwei langen Reihen von Ulmen gesäumten Kiesweg in die ausgedehnten Parkanlagen des Herrenhauses folgte. Hier gab es vollendet angelegte Rasenflächen, fachmännisch geschnitten und so lang, dass ein Flugzeug darauf landen konnte. Sprinkler schleuderten ihre flüssigen Gaben durch die Gegend und hüllten die Sommerluft in einen feuchten Dunstschleier. Hinter den Rasen gab es Heckenlabyrinthe und Blumengärten, Zierbrunnen in imposantem viktorianischem Stil mit Wasser, das sich geschmackvoll aus klassischen Statuen ergoss, und sogar unseren eigenen See mit darauf hinziehenden Schwänen.
Als ich mich dem Herrenhaus näherte, stolzierten Pfauen über den manikürten Rasen und verkündeten mit ihren schrillen und heiseren Rufen meine Ankunft. Auf einer Seite stand ein alter Wunschbrunnen, von dessen rotem Dach der Rost abblätterte. Wir hatten ihn mit Beton aufgefüllt, weil er zu eingebildet geworden war. Vor den angrenzenden Stallungen grasten geflügelte Einhörner, die ihre edlen Köpfe in meine Richtung warfen; ihre Felle waren von so vollkommenem Weiß, dass sie beinah zu strahlen schienen. Wachsame Greifen patrouillierten rings um das Herrenhaus und behielten die nahe Zukunft im Auge, gerüstet für jedweden Angriff - die perfekten Hüter und Wachhunde. Leider ernähren sie sich ausschließlich von Aas und mögen es, sich vorher darin zu wälzen, deshalb streichelt sie nie jemand, und sie dürfen auch nie ins Haus.
Im Zuhause meiner Familie war es schon immer lebhaft wie auf einem Kindergeburtstag zugegangen. Der künstliche Wasserfall beherbergt eine Undine, die alte Kapelle hat ein Gespenst (allerdings spricht meine Familie nicht mehr mit ihm), und ab und zu gibt es Feen in unserem Garten. Wenn man allerdings schlau ist, macht man einen großen Bogen um sie.
Das Herrenhaus rückte bedrohlich näher wie ein Termin beim Zahnarzt; notwendig zwar, aber man weiß einfach, dass alles in Tränen enden wird. Meine Gefühle, als ich nach so langer Zeit meine alte Heimstätte wiedersah, waren so gemischt, dass ich nicht einmal wusste, wo ich anfangen sollte.
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