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Wächter der Menschheit - Green, S: Wächter der Menschheit - The Man with the Golden Torc

Wächter der Menschheit - Green, S: Wächter der Menschheit - The Man with the Golden Torc

Titel: Wächter der Menschheit - Green, S: Wächter der Menschheit - The Man with the Golden Torc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
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Wohin ich auch schaute, überall sprangen mich vertraute Anblicke an und überfielen mich mit Sehnsucht nach vergangenen Zeiten, als die Welt noch so viel einfacher schien. Dies war die Stätte meiner Kindheit, meiner prägenden Jahre. Ich erinnerte mich daran, wie ich über den See gesegelt war in einem Boot aus Spinnweben und Dichtungszaubern, unter der Sorte von blauem Himmel und strahlender Sonne, die man nur in den Erinnerungen an Kindheitssommer antrifft. Ich erinnerte mich daran, wie ich vier Jahre alt war und auf meinen kurzen, dicken Beinen den Pfauen nachjagte und weinte, weil ich sie nicht fangen konnte. Ich erinnerte mich daran, wie ich in Elbenstiefeln auf dem Dach tanzte, und wie ich auf den Einhörnern flog, und wie ... wie ich einfach nur auf dem Rasen lag mit einem guten Buch und mich durch endlose Sommernachmittage hindurchdöste ...
    Ich erinnerte mich auch an endlose Unterrichtsstunden in überfüllten Klassenzimmern, endlos strengen Drill und kalte Höflichkeit und an den stummen, störrischen Widerstand meiner Teenagerjahre, als ich mich hartnäckig weigerte, geführt und geformt und bevormundet zu werden. An die nicht enden wollenden Auseinandersetzungen mit zunehmend höherrangigen Familienmitgliedern darüber, wie mein Leben verlaufen sollte, und an das schreckliche Gefühl, von ihren starren Erwartungen dessen, wer und was ein Drood sein sollte, eingeschränkt und erdrückt zu werden. An mein Bedürfnis, mein eigener Herr zu sein in einer Familie, wo dies niemals geduldet werden konnte. Am Ende war es weniger ein von zu Hause Fortgehen als vielmehr ein Fortlaufen, und es gereicht der Matriarchin zur Ehre, dass sie mich ziehen ließ.
    Ich erinnerte mich an die Schläge, die ärgerlich erhobenen Stimmen und, schlimmer noch, an die schneidend kalten Worte der Enttäuschung. An die Vorenthaltung von Vergnügen und Privilegien und Zuneigung, bis ich lernte, ohne sie auszukommen, nur um der Familie eins auszuwischen. Ich lernte es auf die harte Tour, unabhängig zu sein. Man härtet ein Schwert, in-dem man die Scheiße aus dem Stahl prügelt, und ich bin verdammt hart geworden.
    Nun war ich wieder herzitiert worden, ohne Ankündigung oder Begründung, und Vorahnungen und Paranoia schlangen einen kalten Knoten in meine Magengrube. Hieraus konnte nichts Gutes entstehen - nichts Gutes für mich jedenfalls. Ein Teil von mir wollte am liebsten eine Vollbremsung hinlegen, wenden und wieder wegfahren. Einfach weiter und immer weiter fahren, England verlassen und mich in den dunkleren Teilen der Welt verlieren, vergessen, dass ich jemals ein Drood gewesen war. Aber das konnte ich nicht: Die Familie würde nicht vergessen. Sie würden mich zum Sicherheitsrisiko, zum Abtrünnigen, zum Vogelfreien erklären, und sie würden keine Ruhe geben, bis sie mich zur Strecke gebracht hätten.
    Und außerdem, selbst nach allen Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten, glaubte ich immer noch an das, wofür die Familie eintrat: Ich glaubte immer noch daran, dass es richtig war, den guten Kampf zu kämpfen.
    Ich lenkte den Wagen durch eine lang gezogene Kurve, und das Haus schwenkte vor mir an den richtigen Platz, bis es die Bildfläche beherrschte. Der riesige, wuchernde, alte Herrensitz stammte ursprünglich aus Tudorzeiten, doch war im Lauf der Jahrhunderte viel hinzugefügt worden. Das zentrale Gebäude hatte immer noch die traditionelle schwarz-weiße, mit Brettern verkleidete Vorderfront mit schweren Bleiglasfenstern und vorspringendem Giebeldach; umgeben war es von den vier großen Flügeln, wuchtig und massiv im alten Regency-Stil, die ungefähr fünfzehnhundert Schlafzimmer beherbergten, alle derzeit bewohnt von Familienmitgliedern. Jeder hier ist ein Drood. Das Dach hob und senkte sich wie eine mit grauen Ziegeln gedeckte See samt Giebeln, Wasserspeiern und Zierregenrinnen. Nicht zu vergessen das Observatorium, den Horst, den Hubschrauberlandeplatz und mehr Antennen als Chinesen im Südteil Sohos. Es gibt viele Zimmer im Wohnhaus meiner Familie, und es gibt Platz für jeden darin. Solange man spurt.
    Das Herrenhaus ist auch schweineschwer zu heizen, im Winter zieht es darin wie Hechtsuppe, und die Familie glaubt nicht an Zentralheizung, weil sie findet, dadurch wird man nur verweichlicht. Ich wuchs heran mit der Vorstellung, das halbe Jahr über lange Unterwäsche zu tragen sei normal.
    Und in den geheimsten Räumen des Herrenhauses bestimmt meine Familie das Schicksal der Welt. Sieben Tage die Woche

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