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Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman

Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman

Titel: Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette McCleave
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für ihn wertvollsten aller Schätze jetzt sehr nahe, er konnte bereits schwach die Macht der Reliquie spüren.
    Die alte Nonne lächelte ihm scheu zu, als sie ihn in den spärlich möblierten Schlafraum am Ende des Flurs winkte. In einem Anflug von Großmut lächelte er zurück.
    Dann stand er vor dem Priester. Wie die anderen Protektoren, denen er über die Jahre begegnet war, erkannte ihn auch dieser sofort – trotz der raffinierten menschlichen Larve, in die er für diese Gelegenheit geschlüpft war. Vielleicht verriet ihn der Ausdruck in seinen Augen. Es spielte keine Rolle und machte seine Aufgabe nur einfacher. Er schloss die Tür. »Kommen wir gleich zur Sache, ja? Das Linnen, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
    »Sie sind zu spät«, antwortete der Priester. »Es ist nicht mehr hier.«
    Diese Worte raubten Drusus den Atem. Ihre Bedeutung war ihm unmittelbar klar: Obwohl letzte Nacht nichts als Verwirrung in MacGregors Augen zu lesen gewesen war, musste er eine Eingebung gehabt haben.
Er
hatte das Linnen gestohlen. Schon wieder. »Wann war er da?«
    Eine Perle des Rosenkranzes nach der anderen glitt durch die Hände des Priesters, während er betete und schweigend einen mächtigen Schutzschild um sich errichtete. »Gleich nach dem Mittagessen.«
    Sechs Stunden. Sechs jämmerliche Stunden, die Drusus damit vergeudet hatte, an die Türen anderer Kirchen zu klopfen. Sechs Stunden, in denen er die brennende Luft geweihter Erde, um jeden Atemzug ringend, hatte erdulden müssen, während sein Fleisch unter der gespenstischen Berührung heiliger Mächte zuckte. All das hatte er in dem Wissen ertragen, dass er der begehrten Beute näher und näher kam. Nur um nun zu erfahren, dass sie ihm vor der Nase weggeschnappt worden war.
    »Credo in Deum Patrem omnipotentem, Creatorem caeli et terrae«,
begann der Monsignore mit fester Stimme.
    Das Apostolische Glaubensbekenntnis. Auf Lateinisch. Rot glühende Wut wallte bei diesen vertrauten Worten durch Drusus’ Adern. Worte, die den Glauben des Priesters bündeln und ihn mit unglaublicher Macht erfüllen würden. Jeder gesegnete Gegenstand in diesem Raum würde zur Waffe werden. Aber selbst ein Protektor konnte besiegt werden. Drusus selbst hatte das mehrmals unter Beweis gestellt. Weder Gott noch der Glaube der ganzen Welt konnten diesen elenden Wicht noch retten. Er würde es bald bereuen, dass er das Linnen an MacGregor übergeben hatte.
    »Et in Iesum Christum, Filium Eius unicum, Dominum nostrum.«
    Der Geruch von Zitronen wurde noch strenger, jedes Luftmolekül brannte wie ein Tropfen Säure. Drusus sah auf seine Hände. Die Haut schälte sich bereits ab, darunter kam rohes rotes Fleisch zum Vorschein. Wenn er es recht bedachte, würde er nicht damit zufrieden sein, nur das Blut des heiligen Mannes zu vergießen. Nicht dieses Mal. »Schade, dass MacGregor Sie bereits verlassen hat«, murmelte Drusus, während orangefarbene Flammen aus seinen übel zugerichteten Fingerspitzen schlugen. Er würde alle fünf Gottesfürchtigen töten, die hier lebten. Langsam. Brennen sollten sie in ihrem Schmerz. Er würde gerade genug Hitze einsetzen, um ihr Fleisch am Knochen zu rösten. Er würde den Tod stundenlang hinausziehen und das Erlebnis von Herzen genießen. Die alte Nonne sollte die Letzte sein. Der Dämon freute sich diabolisch darauf, das Licht in ihren Kuhaugen erlöschen zu sehen. »Er wird eine höllische Party verpassen.«
    Dann schleuderte er den ersten Feuerball. Er würde noch jede Menge Zeit haben, sich mit MacGregor zu beschäftigen. Später.
     
    »Verdammt noch mal.«
    Rachel warf den Eingabestift auf den Schreibtisch, schob den Stuhl zurück und stand auf. Der weiße Monitor des Illustrationsprogramms schien einen kleinen Tanz vor ihr zu vollführen und sich in all seiner Leere über sie lustig zu machen.
    An den meisten Tagen liebte Rachel ihren Job. Es ging doch nichts darüber, für etwas, das sie ohne Zögern auch umsonst gemacht hätte, bezahlt zu werden. Aber in Momenten wie diesen wünschte sie sich, ihre Kreativität besser kontrollieren zu können, sie an- und ausschalten zu können, wann sie es wollte.
    Sie sah den Flur entlang. Einer der Gründe für ihre Konzentrationsprobleme zeigte sich dort: auf dem Schild an der Tür zum Zimmer ihrer Tochter. Darauf stand zwar noch wie früher
Zutritt verboten,
aber vor kurzem hatten die niedlichen Zeichnungen Gesellschaft bekommen. Fledermäuse mit gebleckten Reißzähnen hatten die süßen kleinen

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