Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman
sofort, was es zu bedeuten hatte. Sein Blick flog nach oben, um den von Campbell zu suchen, und wie ein Wahnsinniger riss er an seinen Fesseln. »Nein!«, schrie er heiser. »Nimm mich! Ich bin es, den du willst.«
Aber seine Worte zeigten keine Wirkung. Campbell drückte Elspeths Kinn nach oben, um ihren schlanken Hals freizulegen. Ihre weit aufgerissenen Augen starrten Lachlan an, drängten ihn, sie zu retten, bettelten darum, dass er etwas unternahm, irgendetwas. Und er versuchte es. Gütiger Gott, und wie er es versuchte. Doch ganz und gar umsonst. Der derbe Hanf der Stricke biss tief in seine Handgelenke, bis die Haut offen und blutig war. Aber gleichgültig, wie sehr er sich auch anstrengte, gleichgültig, wie viel Schmerz er auf sich nahm, er konnte die Seile nicht abschütteln. Tormod Campbell schlitzte Elspeths Kehle mit der blitzenden Klinge auf. Blut ergoss sich über ihre Brust und tränkte das Kleid, das Licht der schönen blauen Augen erlosch, und Lachlans Herz zerbrach in tausend Stücke.
Er schrie, schrie in der Hoffnung, ihr einen letzten Gedanken mitzugeben, der es ihr leichter machte: »Ich liebe dich, Elspeth!«
Campbell ließ den erschlafften Körper zu Boden sinken, ohne den Blick von Lachlan zu wenden. »Nicht meine Seele wird in der Hölle schmoren, MacGregor. Es wird deine sein. Du hast all das über dein Haus gebracht, durch deinen Machthunger, durch deine unheilige Gier.«
Die Worte waren wie ein Pesthauch, der unbarmherzige Widerhall Lachlans eigener Gedanken. Überwältigt von seinem Kummer, ausgezehrt von dem Schmerz, der durch seine Adern peitschte, vernahm er kaum noch das Stampfen der Stiefel auf dem Holzboden. Aber als sie vor ihm haltmachten, fand er dennoch die Kraft, den Kopf zu heben.
Vor ihm stand ein hoch aufgeschossener junger Mann mit langen blonden Locken und lohfarbenem Bart, grünen Augen und dichten Brauen. Dieses Gesicht kannte Lachlan nur zu gut. Es war schön. Und es gehörte dem Mann, dem er törichterweise seine Seele anvertraut hatte.
Unbeeindruckt von der Verwüstung und dem Gemetzel ringsum starrte der dreckige Hund Lachlan geradewegs ins Gesicht. Und lächelte.
Lachlan fuhr im Bett hoch. Er blinzelte. Undeutlich wurde ihm bewusst, dass er bis spät in den Vormittag geschlafen hatte. Kalter Schweiß bedeckte jeden Zentimeter seiner Haut. Guter Gott, war es möglich?
»Drusus!«, stieß er heiser hervor.
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4
L achlan raffte Schlüssel und Brieftasche zusammen, dann lief er zu seinem Auto, während er sich im Geiste die schnellste Strecke nach San Francisco zurechtlegte. Nicht ein einziges Mal war er hingefahren, seit er sechs Monate zuvor nach San Jose gezogen war. Es war ihm klüger erschienen, auf Distanz zu bleiben, um keine Spuren zu hinterlassen. Aber jetzt war alles anders.
Fünfzig Minuten später stellte er den Wagen auf dem kleinen Parkplatz der Erlöserkirche St. Aquila ab und nahm die Stufen hinauf zum Pfarramt. Zu der älteren Nonne, die an die Tür kam, sagte er: »Pater MacGregor für Monsignore Campbell.«
»O ja, Pater, er erwartet Sie bereits. Kommen Sie herein.«
Sie geleitete ihn eine weitere Treppe hinauf und führte ihn in einen karg möblierten Raum am Ende des Flurs. An dem schmalen Fenster stand ein Priester mittleren Alters mit graumeliertem Haar und aufrechter, strammer Haltung. Er wandte den Kopf, als Lachlan eintrat, und lächelte. »Nun, das ging aber schnell.«
Lachlan dankte der Schwester, die ihn begleitet hatte, durchquerte den Raum und ergriff die Hand des Mannes. »Danke, dass Sie so kurzfristig Zeit für mich gefunden haben. Ich hoffe, ich bereite Ihnen keine Umstände?«
»Natürlich nicht. Es sind genau diese Augenblicke, auf die ich gefasst bin.«
Lachlan musterte das ruhige Gesicht des Mannes und seine entschlossenen braunen Augen. Er hatte an Kriegern kurz vor der Schlacht einen ähnlichen Ausdruck gesehen. »Sie wissen, wer ich bin?
Was
ich bin?«
»In der Tat, ja. Das Protektorat führt sehr genau Buch. Setzen Sie sich und erzählen Sie mir, warum Sie gekommen sind«, sagte der Ältere und deutete auf das Fußende des ordentlich gemachten Bettes. Er selbst nahm auf dem unbequem aussehenden Holzstuhl Platz. Obwohl Lachlans Uhr mit grimmigem, beharrlichem Ticken an jede Sekunde gemahnte, die verstrich, ließ er sich nieder. Die Matratze war hart, die wollene Decke kratzte. »Der Mann, der den Untergang meiner Familie herbeiführte, war kein Mensch. Er war ein Verlockungsdämon.«
Campbells Augenbrauen
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