Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman
Bemühen, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sein plötzliches Erscheinen sie irritierte, legte Rachel das Brötchen vorsichtig in den Schoß. »Kenne ich Sie?«
Sein Lächeln wurde noch breiter. »Ja, natürlich, Rachel. Ich bin Drew, Ems Freund.« Was hätte sie
darauf
sagen sollen? »Ich weiß, dass Sie uns neulich Nacht zum Jahrmarkt gefolgt sind. Ich habe Sie unter den Bäumen stehen sehen.« Rachel wandte den Blick ab. »Ich muss zugeben, dass Sie mich neugierig machen, Rachel. Ich erinnere mich nicht mehr an meine eigene Mutter, daher fasziniert mich dieser Instinkt, unter allen Umständen sein Kind beschützen zu wollen. Wenn ich Sie allerdings so anschaue« – sein Blick wanderte in ihren Ausschnitt – »muss ich nicht unbedingt an eine Mutter denken.«
Rachel beschloss, diese Anzüglichkeit zu ignorieren. »Wie haben Sie herausgefunden, wo ich arbeite?«
»Em hat’s mir gesagt.« In seinen Augen blitzte es schelmisch auf. »Sie sagt mir alles.«
»Darauf könnte ich wetten«, murmelte Rachel. »Da Sie schon mal hier sind, lassen Sie mich offen sein. Es gefällt mir nicht, dass meine Tochter mit Ihnen zusammen ist. Sie sind viel zu … alt für sie. Ich will, dass Sie sich von ihr fernhalten.«
»Das kann ich nicht.« Drew beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf die Knie. Sein Gesichtsausdruck wurde ernst, und sein Blick suchte den ihren mit ruhiger Festigkeit. »Ich weiß, dass es schwer zu glauben ist, aber ich liebe Em wirklich. Sie ist das intelligenteste, süßeste Mädchen, das ich jemals kennengelernt habe, und sie akzeptiert mich so, wie ich bin. Sie haben ja keine Ahnung, wie befreiend das sein kann.«
»Was für ein Schwachsinn!« Rachel funkelte ihn zornig an. Seine freundliche Art wirkte ganz natürlich, und sie verstand, wie er Em hatte bezaubern können. Aber sie war nicht Em. Durch Rachels Erfahrungen mit Grant war sie für die Avancen jugendlicher Charmeure abgestumpft. »Sie ist noch ein Kind, während Sie – na, was – zwanzig sind?«
»Zweiundzwanzig.«
»Zweiundzwanzig, und nutzen ein Mädchen aus, das acht Jahre jünger ist als Sie. Entweder sind Sie verrückt oder der dümmste Kriminelle, der mir je begegnet ist.«
Drew lehnte sich zurück und lächelte. »Jetzt weiß ich, woher Em ihre starke Persönlichkeit hat. Ich mag Sie, Rachel.«
»Das beruht nicht auf Gegenseitigkeit. Ich will, dass Sie aufhören, sich mit Em zu treffen, und dass Sie aus unserem Leben verschwinden. Suchen Sie sich eine Freundin in Ihrem Alter.«
»Ich fürchte, es gibt keine, die derart faszinierend ist wie Em.«
Die Unerbittlichkeit in seiner Stimme ließ Wut in Rachel hochkochen. Wenn nicht so viele Passanten vorübergegangen wären, wäre sie versucht gewesen, dem Mistkerl den Chili-Hotdog ins Gesicht zu schleudern. »Was wollen Sie? Geht es Ihnen um Geld? Wir haben nicht viel, aber –«
»Ich will kein Geld.«
»Was dann?«
»Ich hab’s Ihnen bereits gesagt. Ich liebe Em.«
»Und ich habe
Ihnen
bereits gesagt, dass ich diesen Blödsinn nicht glaube. Kein Zweiundzwanzigjähriger – kein
zurechnungsfähiger
Zweiundzwanzigjähriger – verliebt sich in ein Kind ihres Alters.«
Drew streckte die Hand aus und fuhr Rachel mit seinem schmalen Finger übers Kinn. Sie wich zurück, wobei ihr der Chili-Hotdog fast auf die beigefarbene Hose gefallen wäre. Doch Rachels Abneigung beeindruckte Drew nicht. Er fuhr fort, sie mit einer Mischung aus Neugier und Bewunderung zu betrachten. »MacGregor muss es schwerfallen, sich zurückzuhalten.« Die Welt schwankte für einen Augenblick, und Rachel wäre fast von der Bank gefallen. MacGregor? Meinte er Lachlan? »Der Krieger in ihm spricht zweifellos auf Ihren Mut an, genau wie der Krieger in mir. Wir teilten schon immer eine Vorliebe für starke Frauen.«
Rachel wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Der Drang zu fliehen war heftig, aber sie widerstand ihm. Hier, vor all diesen Zeugen, würde er bestimmt nicht … oder doch?
»Traurigerweise scheinen wir nicht auf derselben Wellenlänge zu liegen, so wie ich es gehofft hatte«, sagte Drew seufzend. Er stand auf. »Normalerweise schneide ich besser ab, vor allem bei Frauen. Ich frage mich, ob das mit dem Mutterinstinkt zu tun hat? Auf jeden Fall habe ich jetzt zu tun. Ich werde erwartet.« Er lächelte Rachel ironisch an. »Ich bin enttäuscht, dass Sie so gar nicht mit mir warm werden wollen. Wie Sie liebe ich die Kunst, und ich habe eine ziemlich schillernde
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