Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman
Baumwollnachthemd in sich auf, dann floh er aus dem Apartment. Nach über vierhundert Jahren als Seelenwächter war er zuversichtlich gewesen, dass er die Qualen des Fegefeuers bereits zur Genüge kannte.
Aber da hatte er wohl falschgelegen.
Trotz einer schlaflosen Nacht, die Lachlan damit verbrachte, den Besuch bei Rachel wieder und wieder Revue passieren zu lassen, stand er früh auf. Er duschte und fuhr dann hinaus zu Stefan Wahlbergs Haus, zweiundzwanzig Kilometer südlich von San Jose.
Der Roma-Magier zeigte keine Überraschung, als Lachlan den Audi auf dem staubigen Hof parkte. Vielmehr verhielt er sich so, als wären sie verabredet gewesen, und übergab Lachlan einen etwa 1,80 Meter langen, hölzernen Kasten.
»Komm herein, komm herein«, sagte der Magier und machte eine Handbewegung zu der glühend heißen, nach einer Seite hin offenen Schmiede. Mit dem lockigen schwarzen Haar, das ihm in die Augen fiel, seinem dicken Bauch und der Alltagskluft aus einem Baumwolloverall und Arbeitsstiefeln gab der Magier ein freundliches und harmloses Bild ab. Aber Lachlan wusste es besser. Hinter diesem leutseligen Lächeln verbarg sich einer der mächtigsten Zauberer, denen zu begegnen er jemals das Glück gehabt hatte – und außerdem einer mit einer sehr zwielichtigen Geschichte. Die beiden Seelenwächter, mit denen Stefan zuvor gearbeitet hatte, waren umgekommen … unter ungeklärten Umständen.
Lachlan studierte den mit Messingscharnieren beschlagenen Mahagonikasten, öffnete ihn jedoch nicht. »Was ist das?«
Stefan, der gerade dabei war, sich dicke Lederhandschuhe überzustreifen, zuckte die Achseln. Er stieß einen langen, gehämmerten Stahlbarren ins Feuer, dorthin, wo es am heißesten war. »Ein Geschenk.«
Lachlan legte den Kasten auf eine Werkbank. »Danke, aber ich nehme keine Geschenke an.« Und schon gar nicht unerwartete Geschenke von Magiern, denen man dunkle Verbindungen nachsagte.
»Das ist schade. Es ist handgeschmiedet und auf deine Größe und dein Gewicht abgestimmt. Wenn du es nicht willst, werde ich es wohl wieder einschmelzen müssen.«
Ein winziger Samen Neugier keimte in Lachlan auf, aber er trampelte ihn achtlos nieder. »Du musst mir ein halbes Dutzend neue Klingen schmieden. Einfache Kampfschwerter.«
»Wofür?«
»Ich will einige Seelenwächter trainieren.«
Der Schmied sah auf. »Die Herrin des Todes hat endlich ihre Zustimmung gegeben?«
»Nein, eigentlich nicht.«
Stefan hob eine Augenbraue, fragte aber nicht weiter nach. »Ich nehme an, du benötigst wie üblich eine Schildbohrung und einen Dämonenblut-Verstärkungszauber? Und Wehrgehänge, die sie für das menschliche Auge unsichtbar machen?«
Lachlan nickte.
»Das ist nicht weiter schwierig. Sie sind bis Freitagabend fertig.«
Lachlan holte zehn knisternde Hundertdollarscheine aus seiner Brieftasche und warf sie auf den Tisch. Dann machte er auf dem Absatz kehrt. Er war keine zwei Schritte weit gekommen, als Stefan ihn zurückrief. »Nimm das Schwert, MacGregor! Wenn du unbedingt willst, kannst du es bezahlen. Aber du wirst es brauchen.«
Lachlan fuhr herum. »Warum?«
Der Magier holte den rot glühenden Stahl mit einer Zange aus dem Feuer und hob seinen Hammer. »Amokläufe und Gewaltverbrechen häufen sich, und immer weniger Leute gehen zur Kirche. Reicht das nicht?«
»Nein.«
Stefan sagte eine Weile lang nichts und bearbeitete den Stahl mit präzisen, wuchtigen Hammerschlägen. Als er den abgekühlten Rohling zurück ins Feuer gelegt hatte, schob er die Schutzbrille auf die Stirn und sah Lachlan an.
»Seit Monaten gehen seltsame Dinge vor sich: freundliche Besuche von Toten, Gegenstände beginnen sich zu bewegen, Glühbirnen explodieren. Du weißt, was ich meine. Das sind definitiv Übertritte aus den anderen Ebenen. Aber ein sprunghafter Anstieg von Amokläufen ist nur für einen Verlockungsdämon typisch.«
»Und aus welchem Grund stört dich das?«
Der Magier ließ den Hammer sinken und zog die Handschuhe aus. »Die meisten Dämonen halten es nur einige Minuten lang auf der mittleren Ebene aus, weil sie dabei Kraft verlieren«, erklärte er. »Aber Verlockungsdämonen bringen den Menschen Verzweiflung und gewinnen aus dieser Verzweiflung Energie. Sie sind in der Lage, hier für längere Zeit zu verweilen.«
»Das weiß ich.«
»Weißt du auch, wie die Erfolgsquote Seelenwächter gegen Verlockungsdämonen aussieht?«
Lachlan ahnte eine Falle und schüttelte den Kopf.
»Null zu
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