Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman
runzelte die Stirn. »Mit ›tot‹ meinst du in ernsthaften Schwierigkeiten?«
»Nein. Mit ›tot‹ meine ich nicht mehr am Leben.«
»Äh, aber du atmest«, bemerkte sie, unfähig, seine Worte zu begreifen, und auch ein wenig ängstlich, ihnen überhaupt eine Bedeutung zuzugestehen. »Und ich habe deinen Herzschlag gespürt. Das sind doch untrügliche Lebenszeichen.«
»Mein Körper ist nicht das, was er zu sein scheint. Ich esse, atme und blute, aber ich bin nicht mehr am Leben so wie du. Meine sterbliche Hülle ist seit dem Jahre sechzehnhundertdrei tot. Seither diene ich dem Tod als Wächter der Seelen.«
Rachel starrte Lachlan an. Ob das ein Scherz sein sollte? Bestimmt.
Sonderbarerweise klang diese Geschichte nicht derart absurd, wie sie eigentlich sollte. Vielleicht lag es an Lachlans sachlicher Ausdrucksweise oder dem unbeirrbaren Ernst in seinen Augen – oder auch Rachels Benommenheit nach der fast schlaflosen Nacht. Jedenfalls lachte Rachel nicht. Sie war einfach nur betäubt. »Du nimmst mich auf den Arm, oder?«
»Nein.« Lachlan schüttelte den Kopf. »Der einfache Grund, warum ich Wunden überlebe, wie du sie gestern gesehen hast, ist, dass ich unsterblich bin. Ich kann nur von einem anderen Unsterblichen getötet werden.« Lachlans Hände schienen sich wie von selbst zu Fäusten zu ballen, während er auf die sitzende Rachel hinuntersah. »Drew … oder Drusus, denn so lautet sein richtiger Name, ist auch unsterblich. Wir haben eine gemeinsame Vergangenheit. Er spielte eine entscheidende Rolle bei der Ermordung meiner Frau« – seine Stimme wirkte plötzlich weniger fest, und er hielt kurz inne – »und meiner drei Kinder. Meiner ganzen Familie.«
Lachlan hob den Blick. Durch seine Augen sah Rachel tief in ihn hinein: sah anhaltende Traurigkeit, wilde Entschlossenheit, aber auch Resignation. Ihr fehlten die Worte. Ausnahmsweise hatte sie keine Ahnung, was sie sagen sollte.
»Ich erwarte nicht, dass du mir glaubst«, fuhr Lachlan fort. »Ich weiß, dass es wie ein Schauermärchen klingt. Aber du musst wissen, dass du Drusus nicht allein das Handwerk legen kannst. Du brauchst mich.«
Lachlan brachte alle möglichen Worte hervor – Nomen, Verben, Adjektive –, aber keines davon ergab einen Sinn. »Gehst du zu einem Psychologen?«
»Einem Psychologen?«
»Jemandem, der dir Medikamente verschreibt? Kleine blaue Pillen, die du eigentlich nehmen sollst und die dir offenbar ausgegangen sind?«
»Rachel …« Lachlan seufzte. »Hast du gestern geglaubt, dass meine Verletzungen echt waren?«
Sie heftete den Blick wieder auf sein Gesicht. »Ja.«
»Hast du gesehen, wie tief die Schnittwunde an meinem Bein war?«
»Ja.«
»Und wie erklärst du es dir, dass diese Wunde jetzt verschwunden ist?«
Rachel zuckte hilflos die Achseln. »Ich kann es mir nicht erklären.«
»Mehr Beweise habe ich nicht. Mir ist klar, dass das die Grenzen dessen, was du kennst, überschreitet. Aber gibt es in deinem Glaubenssystem nicht auch Platz für Dinge, die du dir nicht erklären kannst?«
»Wenn es nach dir geht, soll ich glauben, dass du tot bist.«
»Genau.«
»Wir haben gestern miteinander geschlafen, also sagst du mir gerade, dass ich Sex mit einem Toten hatte?«
Zu ihrem Erstaunen stieg eine sanfte Röte in Lachlans Wangen. »Ein Mann von Ehre hätte es dir bereits gestern gesagt, aber offen gestanden war kaum Zeit dafür.«
Rachel stützte die Ellbogen auf den Tisch und bedeckte das Gesicht mit den Händen. »Gott, ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Ich habe das Gefühl, dass mein Gehirn gleich explodiert.«
Er ging neben ihr in die Hocke und legte seine Hände auf ihre. Sie fühlten sich warm und beruhigend an. »Ich wollte dich nie verletzen, Rachel.«
»Blödsinn!« In plötzlicher Wut riss sie sich los. »Das hast du gründlich vermasselt, seit wir uns zum ersten Mal begegnet sind. Wenn all das wirklich wahr ist, hast du mich angelogen, als du sagtest, Drew sei ein Drogendealer. Und du wusstest, dass du – aus welchem Grund auch immer – nicht zu haben bist. Trotzdem hast du mir glühende Blicke zugeworfen, mich geküsst und mit mir geschlafen. Wenn du mir nicht weh tun wolltest, wäre es besser gewesen, dich von mir fernzuhalten.«
Sein Blick war fest und klar. »Da hast du recht.«
»Natürlich habe ich recht … äh, ich meine –«
»Wenn es um dich geht, bin ich ein Narr. Ich mache Dinge, die ich besser nicht tun sollte. Ich bleibe, wenn ich besser gehen sollte. Es
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