Wächter des Elfenhains (German Edition)
dagegen tun!“
Andion schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, dass er sich seiner Sache so sicher ist. Er hat so viel Mühe darauf verwandt, unentdeckt zu bleiben, wieso sollte er uns nun mit der Nase darauf stoßen, dass er sich im Hain aufhält? Er hätte doch einfach eines Nachts in mein Zimmer kommen und mich abermals zur Ader lassen können. Niemand hätte ihn bemerkt, und niemandem wäre mein plötzlicher Schwächeanfall verdächtig erschienen, schließlich war ich ja mehr tot als lebendig, als ich das letzte Mal hier ankam. Dieses Spielchen hätte er mehrmals wiederholen können, bis die Quelle tatsächlich leer gewesen wäre. Am Ende hätte er lediglich die letzten noch lebenden Elfen töten müssen, und dann wäre nur noch ich übrig geblieben.“
Ein eisiger Hauch strich über Andion hinweg und ließ ihn innerlich frösteln. Die Schatten seiner Albträume, die ihn sein Leben lang begleitet hatten, schienen plötzlich wie Geister durch den kleinen Raum zu schweben und spöttisch seinen Namen zu flüstern. Entschlossen streckte er den Rücken durch und sah Maifell grimmig an. „Doch das hat er nicht getan. Stattdessen tritt er mit der Ermordung Gairevels, Tigarains und der anderen mit einem Mal derart aufs Gaspedal, als wolle er die ganze Sache möglichst schnell über die Bühne bringen, bevor das nächste Footballspiel im Fernsehen beginnt. Er hat mich durch seine Aktionen absichtlich auf sich aufmerksam gemacht, weil er eine Entscheidung erzwingen will. Und das kann nur bedeuten, dass ihn irgendetwas derart beunruhigt hat, dass er glaubt, keine Zeit mehr zu haben.“
Als Ursache kam eigentlich nur ein einziges Ereignis infrage. Das Morden hatte angefangen, unmittelbar nachdem er bei seinem Spaziergang mit Maifell zum ersten Mal die Lebensstränge wahrgenommen hatte. Ogaire musste ihn auch dort mithilfe seiner Sylphenspione beobachtet und zwei und zwei zusammengezählt haben. Er wusste, dass Andion kurz davor stand, das Geheimnis der Elfenseelen in sich zu entdecken, und suchte die Konfrontation, ehe er zu einem zu starken Gegner heranwachsen konnte.
Andion verschränkte seinen Blick mit Maifells, tauchte ein letztes Mal ein in die wundervollen blauen Tiefen ihrer Augen. Der Moment der Wahrheit war gekommen, das Messer bereit zum Stoß. „Ogaire ist nicht der Einzige, der Elfenseelen in sich trägt, vergiss das nicht.“
Maifell spürte die Entschlossenheit in seinem Herzen. Ängstlich umklammerte sie seinen Arm. „Was hast du vor?“
Andion berührte sachte ihre Hand und lächelte wehmütig. Er hatte vor, ebenso viel aufzugeben, wie Ionosen es getan hatte.
„Ich muss gehen.“
„Zu Ogaire?“
„Ja. Ich muss mich ihm stellen.“
Maifells Augen weiteten sich. „Das ... das darfst du nicht!“
„Ich habe doch gar keine Wahl. Wenn ich es nicht tue, wird das Morden weitergehen. Ich darf mich nicht feige hier verkriechen und Ogaire noch länger die Initiative überlassen.“
Maifells Griff um seinen Arm wurde fester. Verzweifelte Hoffnung flackerte in ihrem Blick. „Aber du weißt doch gar nicht, wo er ist! Wie willst du ihn denn finden?“
Andion schüttelte traurig den Kopf. „Ich weiß genau, wo er ist. Er ist bei der Quelle. Nur von dort aus kann er Einfluss auf die Lebensstränge nehmen.“
„Aber das Herz ist nie am gleichen Ort. Kein Elf kennt den Weg dorthin!“
„Ogaire schon, und ich ebenso. Außerdem wandert das Herz schon lange nicht mehr.“
„Was ... was meinst du damit?“
Er wandte den Blick von ihr ab, sah fröstelnd auf den entstellten Körper der Sylphe und Gairevels Leichnam und sagte leise: „Mein ganzes Leben hatte ich stets den gleichen Albtraum. Ich bin in Panik durch den Wald gehetzt und irgendwann auf Ogaire getroffen. Es war immer der gleiche Ort, an dem er ... mich getötet hat. Derselbe Ort, an dem er auch sein Kind geopfert hat. Damals habe ich es nicht begriffen, aber jetzt verstehe ich es. Ogaire hat das Herz des Hains damals an jenen Ort gebunden. Es ist noch immer dort, genau dort, wo Ogaire dem Wald sein verderbtes Mal eingebrannt hat.“
„Andion, nein!“ Maifells Stimme bebte. „Wenn du dort hingehst, wird dein Albtraum Wirklichkeit werden! Ogaire wird dich töten!“
Andion nahm ihre Hand, legte sie auf seine Brust. „Er wird es versuchen. Aber ich kann mich wehren. Außerdem bin ich nicht allein. Die Seelen der Elfen sind bei mir, und Ionosen. Sie werden mich beschützen.“
„Aber ...“
„Niemand außer mir kann das tun,
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