Wächter des Elfenhains (German Edition)
als seine Marionetten, und er hat uns tanzen lassen, wie es ihm gefiel. Wie konnte ich nur glauben, dass ich ihm damals entkommen bin? Ich hätte es wahrlich besser wissen müssen!“
Maifell schüttelte den Kopf. „Ich verstehe nicht.“
Andion lächelte bitter. „Es ist leider ziemlich einfach. Warum, glaubst du, konnte ich mich nicht daran erinnern, wie ich in den Hain gelangt bin? Wie konnte es sein, dass ich Ogaire im letzten Augenblick und offenbar mehr tot als lebendig doch noch durch die Klauen geschlüpft bin? Die Wahrheit ist, ich bin es nicht. Ogaire hat mich angegriffen, überwältigt und mich benutzt, um unbemerkt die Grenze zum Hain zu passieren.“
„Aber die magische Barriere der Ältesten ist intakt!“
„Intakt und dennoch völlig wirkungslos.“ Er blickte Maifell eindringlich an. „Ich bin mir sicher, Ogaire hat mein Blut und meine Lebenskraft benutzt, um seine eigene Präsenz zu tarnen. Ihr dachtet, ich wäre allein in den Hain gekommen, dabei war Ogaire unmittelbar neben mir.“
Maifell erbleichte. „Aber wenn er dich bereits in seiner Gewalt hatte, wieso ...“ Sie stockte. „Wieso hat er dich nicht getötet?“
„Weil er noch nicht bekommen hatte, was er wollte.“ Noch einmal strich er ihr zärtlich über die Wange. Dann öffnete er seinen Geist für sie.
Sie zuckte erschrocken zurück. „Was ... was ist das?“
Andion lächelte. „Es ist dein Volk, Maifell. Elfenseelen. Die Seelen und die Magie jener, die gestorben und in der Quelle aufgegangen sind. Das war es, worauf Ogaire von Anfang an aus war. Der Grund, weshalb ich geboren wurde.“ Nun, mit dem Wissen um die Elfenseelen in seinem Inneren, hatten alle Fragen, die ihn sein Leben lang gequält hatten, endlich eine Antwort gefunden. Ein Gefühl tiefer Dankbarkeit und Liebe überkam ihn, als er daran dachte, dass er diese Seelen in sich nicht eigentlich entdeckt hatte. Ionosen, Esendion und Alisera hatten sie ihm gezeigt. Jetzt endlich verstand er, warum sich die drei für ihn geopfert hatten. Warum sich Ionosen Ogaire entgegengestellt hatte, obwohl er gewusst haben musste, dass dieser ihn töten würde. Seine Seele war ebenfalls in der Quelle aufgegangen und mit dem steten Strom der übrigen Elfenseelen in Andion zurückgeflossen, ohne dass er davon auch nur das Geringste bemerkt hatte. Er war gestorben, um im Augenblick seiner größten Not bei ihm zu sein, um ihm durch seine Verwirrung und seine Furcht hindurchzuhelfen und die Tür zu dem Schatz zu öffnen, den Ogaire tief in seinem Inneren verborgen hatte.
Andion erschauerte, und sein Lächeln verblasste. „Ihr habt geglaubt, das Schlimmste, das Ogaire getan hat, sei gewesen, eure Quelle zu vergiften. Doch das stimmt nicht. Er wollte die Quelle niemals zerstören. Er wollte nur ihre Macht. Und das Werkzeug, das ihm diese Macht verschaffen sollte, war ich.“ Er sah, dass Maifell etwas sagen wollte, und fuhr rasch fort. „Ogaire wusste genau, dass er sich auch mithilfe seiner Schwarzen Magie die Quelle niemals auf direktem Wege hätte unterwerfen können. Statt also zu versuchen, ihren Widerstand mit roher Gewalt zu überwinden, hat er sich einfach durch die Hintertür hereingeschlichen. Er hat die Quelle langsam ausbluten lassen. Das Einzige, was er brauchte, war ein Gefäß, das er unter die Wunde halten konnte. Und das steht vor dir.“ Bitterkeit überkam ihn. „Deshalb hat er mich damals nicht sofort getötet. Er hat mir nicht nur meine Lebenskraft gestohlen, er hat auch die Elfenseelen aus mir herausgesaugt, die sich bis zu diesem Zeitpunkt bereits in mir angesammelt hatten – zumindest so viele, wie er wagte, ohne mich tatsächlich umzubringen. Denn dann hätte er den ganzen Rest verloren, der sich noch in der Quelle befand. Und Ogaire ist niemand, der sich mit ein paar Krümeln zufriedengibt, wenn er den ganzen Kuchen haben kann.“
Maifells Gesicht wurde noch bleicher. Andion spürte ihre Angst, spürte, wie verzweifelt sie darum rang, den Sinn seiner Worte zu begreifen. „Heißt das ... ein Teil der alten Elfenseelen befindet sich in Ogaire? Dass er sie wie Tiere in einem Käfig in seinem Körper gefangen hält und sich ihrer magischen Kräfte bedienen kann, als wären es seine eigenen?“ Tränen schimmerten plötzlich in ihren Augen. „Wenn es stimmt, was du sagst, ist alles verloren. Wie können wir noch hoffen, ihn zu besiegen, wenn er aus einer derartigen Machtfülle zu schöpfen vermag? Er wird uns wie Käfer zermalmen, und wir können nichts
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