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Wächter des Elfenhains (German Edition)

Wächter des Elfenhains (German Edition)

Titel: Wächter des Elfenhains (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gavénis
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Wahnsinn ist ...“
    Ian schüttelte ernst den Kopf. „Das ist es nicht.“
    „Aber es gibt keine Feen und Elfen!“, rief Andion verzweifelt. „Und auch wenn ich mich oft so fühle, komme ich weder vom Mars, noch brüte ich in meinem Bauch irgendwelche Alieneier aus. Ich spinne mir das alles nur zusammen.“
    Das Blau von Ians Augen schien plötzlich noch tiefer zu werden, und sein Blick bekam etwas Eindringliches, beinahe Beschwörendes. „Vertraust du mir, Andion?“
    „Ich ... ja, natürlich.“
    „Gut. Dann versuche, mir eins zu glauben: Dein Vater hat sich aus freien Stücken entschlossen, dem Weg des Wahnsinns und der Finsternis zu folgen, aber diese Charakterschwäche hat er nicht an dich vererbt.“
    „Aber ich habe seine Augen!“
    „Das ist nur ein körperliches Merkmal, nicht mehr. Alle deine Vorfahren hatten diese Augen, aber keiner von ihnen glich dem anderen. Der Charakter wird nicht vererbt, er entspringt deiner Seele. Und deine Seele wird niemals den Versuchungen des Bösen erliegen, Andion. Du wirst niemals wie dein Vater sein!“
    Andion spürte die unerschütterliche Gewissheit, die Ian erfüllte, und erneut drohten ihm Tränen in die Augen zu steigen. „Bist du sicher?“
    Ian lächelte. „Ich war mir dessen bereits sicher, als deine Mutter dich gerade entbunden hatte und ich dich das erste Mal in den Armen hielt. Aus diesem Grund haben deine Mutter und ich auch den Namen Andion für dich gewählt.“
    Andion – Ian hatte ihm einmal erzählt, es sei ein sehr alter, ehrwürdiger Name, einer, der in früheren Zeiten niemals leichtfertig verliehen worden war. Nur eines hatte er nie gesagt.
    „Was bedeutet er?“
    Ian nahm ihn fest bei den Schultern, und sein Lächeln vertiefte sich. „Hoffnung.“
    Andion sah zu Boden. Es gab wohl kaum jemanden, für den dieser Name unpassender gewesen wäre. Siebzehn Jahre Flucht vor einem irrsinnigen Vater, der mit gewetzten Messern hinter ihm herjagte, hatten sich wie Säure in seine Seele gefressen – und das erste Gefühl, das in jenem düsteren Loch verschwunden war, war die Hoffnung gewesen.
    „Ich kann nicht hoffen“, sagte er dumpf.
    Ian schloss ihn behutsam in die Arme. „Ich weiß.“

3. Kapitel

    Es dauerte lange, bis sich die aufgepeitschten Wogen seiner Gefühle wieder zu beruhigen begannen und die Gespenster seiner Vergangenheit widerwillig in die Dunkelheit zurückwichen, aus der sie so jäh hervorgebrochen waren, und wie so oft, wenn die eisigen Fluten der Hoffnungslosigkeit über Andion zusammenschlugen und ihn in ihre finsteren Tiefen hinabzuziehen drohten, war es nicht allein sein Verdienst, dass der gierige Sog ihn schließlich wieder freigab. Denn während er stumm und reglos neben Ian im weichen Moos kauerte, war ihre Anwesenheit in dem Eichenwäldchen nicht unbemerkt geblieben. Ein leises Flügelschlagen erfüllte plötzlich die Luft, dann landete ein kleines Rotkehlchen elegant auf seiner linken Schulter. Nur wenige Augenblicke später flatterte ein Finkenpärchen unter fröhlichem Gezwitscher aus den dichten Wipfeln der Bäume zu ihm herab, dichtauf gefolgt von einer quirligen Schar junger Spatzen, drei Eichhörnchen und mehreren Kaninchen, die mit neugierig zuckenden Nasen aus dem Unterholz hervorlugten, ehe sie ohne die geringste Furcht in ihren großen braunen Augen auf ihn zugehoppelt kamen.
    Die Spatzen umschwirrten seinen Kopf und pfiffen aufmunternde Lieder, als wollten sie die düsteren Wolken vertreiben, die die Wärme und das Licht von ihm fernhielten, die Eichhörnchen schienen ihn eindeutig mit einem Kletterbaum zu verwechseln und tollten derart ausgelassen auf ihm herum, dass er unwillkürlich lächeln musste, und die Kaninchen stritten sich wie üblich darum, wer zuerst und am längsten von ihm gestreichelt wurde.
    Er versuchte, keines von ihnen zu enttäuschen. Ian beobachtete ihn dabei mit einem Ausdruck wissender Güte, und Andion spürte, wie der eisige Panzer der Resignation, der seine Seele umschloss, unter dem tiefen Verständnis und der Zuneigung dieses Blicks endgültig in sich zusammenschmolz. Er hob den Kopf, und beinahe ohne es selbst zu merken, erwiderte er Ians Lächeln.
    „Haben wir noch Zeit?“
    Ian schaute zum Himmel hinauf, nicht auf die Uhr, was typisch für ihn war. Er trug zwar eine Armbanduhr, aber Andion hatte nie gesehen, dass er auch nur einen einzigen Blick darauf warf. Trotzdem schien er stets zu wissen, wie spät es war.
    „Deine Mutter erwartet dich noch nicht zurück. Wir

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