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Wächter des Elfenhains (German Edition)

Wächter des Elfenhains (German Edition)

Titel: Wächter des Elfenhains (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gavénis
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das?“
    Das Beben in seiner Seele ließ vermuten, wen er erwartet hatte.
    Neanden knirschte mit den Zähnen. „Ogaires Sohn.“
    Gairevel und die anderen erschraken zutiefst. Neanden spürte, wie sie ihren Willen bündelten, bereit, anzugreifen oder besser gesagt, um ihr Leben zu kämpfen.
    Er beachtete sie nicht. Wortlos bückte er sich und warf sich den Jungen über die Schulter.
    „Kommt“, sagte er mit kalter Stimme. „Der Rat muss so schnell wie möglich hiervon erfahren.“

10. Kapitel

    An der Spitze der anderen Männer und mit ebenso grimmiger Miene wie sie trat Neanden wenig später mit seiner Last ins Dorf. Die übrigen Elfen erwarteten sie bereits. Jeder von ihnen hatte den Ruf vernommen, und ihre Furcht, Ogaire könnte nach all den Jahren den Zauber der Ältesten überwunden haben und in den Hain zurückgekehrt sein, schwebte wie kalter, klammer Nebel zwischen den Bäumen und hüllte ihn ein, lange bevor er mit seinen Begleitern den Rand des Dorfes erreichte.
    Erleichterung fuhr wie ein frischer Wind durch die Seelen der Wartenden, als sie sie kommen sahen, doch sie verschwand beim Blick in ihre finsteren Gesichter sogleich wieder. Neanden sah niemanden an. Steif und hoch aufgerichtet trug er den Eindringling vor den Ratssaal. Rilcaron und die vierzehn anderen Mitglieder des Ältestenrates waren aus dem Saal in die Sonne getreten, warteten ebenso gespannt wie der Rest ihrer kleinen Gemeinschaft.
    Was zweifellos das Beste war, was sie hatten tun können, denn um nichts in der Welt wäre Neanden mit der widerwärtigen Kreatur auf seinen Schultern in die erhabene, heilige Halle der Ältesten getreten. Es war schlimm genug, dass er das Dorf mit ihrer Anwesenheit besudeln musste.
    Grob warf er seine Last vor Rilcaron auf den Boden.
    „Dies ist Ogaires Sohn“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Gezeugt mit und geboren von einer Menschenfrau.“
    Rilcaron, der sich eben über den Jungen hatte beugen wollen, zuckte zurück wie vor einem eiternden Geschwür.
    „Ist das wahr?“, flüsterte er.
    Neanden nickte. Seine Kiefer zermahlten erneut einen unsichtbaren Feind zu Staub.
    Elfen, von allen Seiten herbeigeeilt, wichen ebenso erschrocken wie die Ältesten zurück. Die Furcht vor einer Rückkehr Ogaires, die gerade erst zu schwinden begonnen hatte, grub sich erneut in ihre Herzen, verwandelte ihre Mienen in bleiche, schreckensstarre Masken.
    Alle starrten den Jungen an. Er war hochgewachsen und schlank, so wie alle Elfen, doch sein Gesicht war nicht so schmal, wie es hätte sein sollen, und obwohl seine Wangenknochen auf eine durchaus markante Weise seine Züge betonten, traten sie andererseits nicht so deutlich hervor, wie es bei den Elfen im Allgemeinen der Fall war. Doch erst seine Haare verrieten endgültig seine Herkunft, denn Elfenhaar war niemals schwarz; es war blond wie das Korn, kurz bevor es im Frühling seinen ersten Samen ausstreute und neues Leben gebar, hellbraun wie reifende Haselnüsse, wenn der Sommer sich dem Herbst entgegenneigte, von sattem Braun wie der lebendige Waldboden oder dunkelbraun wie die Rinde uralter Tannen, nicht schwarz wie die kalte Asche des Feuers. Nicht schwarz wie die toten Bäume und Büsche dort, wo Ogaire seinen unheiligen Zauber gewirkt hatte.
    Lähmende Stille senkte sich über den Platz. Schließlich hob Rilcaron den Kopf und schaute Neanden durchdringend an. „Er scheint tatsächlich zur Hälfte ein Mensch zu sein. Aber bist du sicher, dass Ogaire sein Vater ist? Könnte nicht auch Io...“
    „Nein!“ Neanden schüttelte heftig den Kopf und verfluchte sich selbst, als er den schrillen Unterton in seiner Stimme bemerkte. „Er ist Ogaires Brut! Ich habe seine Augen gesehen. Es waren Ogaires Augen, dieselben Augen, die jeder männliche Erbe des Geschlechts der an’Tairdym besitzt. Daran gibt es nicht den geringsten Zweifel.“
    Rilcaron tauschte einen unsicheren Blick mit seinen Ratskollegen. „Wie ist sein Name? Haben die Blütenfeen und Sylphen ihn beim Namen genannt?“
    So taten sie es immer bei einem Heimkehrer.
    Neanden schluckte hart, bekam die Antwort kaum heraus. „An ... Andion.“
    Rilcaron erbleichte, und ein ungläubiges Raunen ging durch die Menge. Zorn mischte sich jetzt deutlich spürbar in die Wolke der Furcht. Tigarain schob sich nach vorn; in ihren alten, braunen Augen loderte ein gefährliches Feuer.
    „Diesen Namen wird er niemals tragen! Was für ein ungeheuerliches Sakrileg! Wie kann Ogaire es wagen, nach

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