Wächter des Elfenhains (German Edition)
auch nur ein einziger weiterer Elf durch Ogaires abscheuliches Treiben den Tod fand.
Seine Magie wurde zu einem tosenden Sturm, als sich für einen qualvollen Augenblick das Gesicht seiner Tante aus dem düsteren Nebel schälte – Isirada, hingeschlachtet in ihrem Blut, mit gebrochenen Augen und geschändetem Leib, ihre Gebärmutter ausgeweidet und dampfend in der klaren Morgenluft. Der Junge brüllte, als sich sein Zorn wie mit tausend glühenden Nadeln in ihn hineinbohrte, seine Magie wie flüssiges Feuer durch sein Fleisch drang und ihn wie eine auf einen Haken gespießte Raupe zucken ließ.
Doch noch fiel er nicht. Im Gegenteil. Ungläubig spürte Neanden, wie auch er seinen Willen zusammenballte, einen ungeschliffenen und rohen Willen, ohne die Eleganz und die kristallene Schärfe eines durch jahrzehntelange Erfahrung und Übung geschulten Elfenverstandes, aber dennoch stark genug, um seinem wilden Angriff zu trotzen. Mit großen Augen beobachtete er, wie der Junge sich Zentimeter für Zentimeter auf die Füße kämpfte. Bleich und von Krämpfen geschüttelt stand er da; sein Blick war ein einziges Flehen.
„Bitte, Neanden, hör auf!“
Neanden zuckte zurück, als er seinen Namen hörte, und jähes Entsetzen schnürte ihm die Kehle zu. Die Abscheulichkeit wusste, wer er war ! Sie kannte seinen Namen! Greller Zorn und Hass explodierten in ihm, und seine Magie loderte aus ihm hervor, wurde zu einem brüllenden Raubtier, das sich mit brutaler, ungezügelter Gewalt gegen den Willen des Feindes warf.
Sein Gegner schwankte, hielt seiner Macht ein, zwei Sekunden lang stand, dann sank er erneut zu Boden. Das Bollwerk seines Willens bröckelte wie alter Lehm, als Neanden es mit unsichtbaren Krallen auseinanderriss, die Klingen seines Zorns tiefer und tiefer in den flackernden magischen Schild des Jungen trieb. Er sah, wie sich sein Gesicht vor Qual verzerrte, und fletschte triumphierend die Zähne.
Doch noch immer weigerte sich der Bastard zu sterben. Schwach hob er den Kopf, suchte mit seinen widerwärtigen grünen Augen seinen Blick und hielt ihn fest.
„Dein ... dein Vater schickt mich“, krächzte er, streckte zitternd eine Hand nach ihm aus. Die Finger der Hand öffneten sich, und eine Kafén kam zum Vorschein – eine Kafén, die von einer Aura der Güte und Sanftmut umgeben war, die Neanden selbst unter tausend anderen mühelos hätte erkennen können: die seines Vaters.
Seine Magie zersplitterte wie dünnes Glas. Er konnte seinen Willen nicht mehr halten, und sein Zorn, nun ohne Ziel, floss wie eine gewaltige, verzehrende Welle in ihn zurück. Mit einem Aufschrei sprang er nach vorn und schlug zu. Seine geballte Faust krachte gegen die Schläfe des Jungen, der sofort wie ein gefällter Baum zu Boden stürzte.
Schwer atmend beugte sich Neanden zu ihm herab und riss ihm die Kafén aus der Hand. Die Lippen zu einem harten Strich zusammengepresst, starrte er auf die kleine, silbern schimmernde Münze, die sich warm an seine Haut schmiegte. Seine Hand begann zu zittern, doch er bemerkte es nicht, ebenso wenig wie das Brennen in seinen Augen und den eisernen Ring, der sich enger und enger um seine Brust zusammenzog. Die Welt um ihn herum verlor ihre Konturen, zerfaserte zur Bedeutungslosigkeit, und seine Gedanken trieben davon, wurden fortgespült vom Rauschen des Blutes in seinen Ohren und dem rasenden Wummern seines Herzens; nur das sanfte Pochen der Kafén in seiner Hand und das qualvolle, unendlich vertraute Gefühl einer Geborgenheit und einer Liebe, die er so lange schon nicht mehr empfunden hatte, schienen noch wirklich zu sein.
Sekundenlang geschah gar nichts; schmerzhafte Stille hing über der Lichtung, deren Luft eben noch vom ausgelassenen Tanz und Gesang der Sylphen und Blütenfeen vibriert hatte. Plötzlich gewahrte er eine Bewegung in seinem Augenwinkel, und als er mühsam seinen Blick von der Kafén löste und den Kopf hob, sah er die goldene Blütenfee, die irgendwann während seines mörderischen Angriffs gemeinsam mit den übrigen Wesen des Kleinen Volkes schließlich doch die Flucht ergriffen hatte und nun majestätisch über die Wiese auf ihn zugeschwebt kam. Sie strich dem Jungen behutsam über die Stirn, blickte vorwurfsvoll zu Neanden herauf – und verschwand im Meer der Blumen.
Im gleichen Moment hörte Neanden aufgeregte Stimmen. Gairevel und seine Krieger waren gekommen.
Gairevel trat zu ihm und musterte mit gerunzelter Stirn den reglosen Körper zu seinen Füßen.
„Wer ist
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