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Wächter des Elfenhains (German Edition)

Wächter des Elfenhains (German Edition)

Titel: Wächter des Elfenhains (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gavénis
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ergreifen, um den Hain vor dir zu schützen. Ich hoffe, ich habe mich klar genug ausgedrückt.“
    Andion spürte, wie ihm vor Kummer und Bitterkeit der Hals eng wurde. Also war alles wie immer. Er blieb ein Außenseiter, blieb die verhasste Kreatur, mit der sich niemand abgeben wollte. Ob diejenigen, die ihn verabscheuten, nun Kenneth und seine beiden Schläger waren oder Rilcaron, Neanden oder Gairevel hießen, war bedeutungslos. Der Hass blieb derselbe. Trotzdem begehrte er nicht auf, sondern nickte ergeben.
    „Ich werde gehorchen“, versprach er matt.
    Rilcaron nickte nicht einmal. Unverwandt starrte er Andion an, als lauere er auf ein falsches Wort oder irgendeine verdächtige Regung, die es ihm erlaubte, seine Drohung unverzüglich in die Tat umzusetzen. „Noch etwas. Solltest du mit dem Namen, den Ionosen dir gegeben hat, auch nur einmal die Luft dieses Waldes verpesten, wirst du den Hain augenblicklich verlassen. Solange du hier bist, heißt du An .“
    An – die Dunkelheit. Jetzt verstand Andion den Namen, so wie alle Worte, obwohl sie in Elfensprache an ihn gerichtet wurden.
    An – die Dunkelheit, Dion – das Licht, Andion – Licht in der Dunkelheit. Beinahe hätte er gelacht. Ionosen hätte ihm wahrlich keinen schlechteren Namen geben können.
    Rilcarons Augen wurden schmal. „Ich weiß nicht, was Ionosen in dir sieht. Ich sehe es nicht. Aber du kannst ihm danken. Hätte er nicht so energisch für dich gesprochen, wärst du schon längst tot.“
    Andion senkte den Blick. Vermutlich hatte Rilcaron recht. Vermutlich hatte sein Name gar nichts zu bedeuten, und Ionosen hatte ihn nur deshalb gewählt, um ihn vor den blinden Rachegelüsten seines Volkes zu schützen. Er würde versuchen, zumindest ihn nicht zu enttäuschen.

12. Kapitel

    Andion verbrachte sieben Tage im Hain, Tage, die ihm eine neue, nie gekannte Dimension der Einsamkeit offenbarten. Niemand sprach auch nur ein einziges Wort mit ihm, und nicht einmal Neanden und Gairevel, seine beiden grimmigen Wächter, die einander im täglichen Wechsel bei der Erfüllung ihrer Aufgabe ablösten und deren bedrohliche Gegenwart seit der Entscheidung des Rates zu seinem ständigen, düsteren Schatten geworden war, ließen sich dazu herab, ihren Atem an ihn zu verschwenden.
    So oft er den Blick hob und sie ansah, verschlossen sich ihre Mienen, und er spürte, wie sich ihre Muskeln anspannten, wie sich ihr Wille zu einer kalten, harten Klinge formte, die nur darauf wartete, ihm mit einem schnellen, kompromisslosen Schlag ihrer Elfenmagie den Kopf von den Schultern zu trennen, sollte er ihnen auch nur den winzigsten Anlass dafür liefern.
    Was er nicht tat. Er wusste, dass sie ihn hassten – ihn und den Befehl der Ältesten, der sie zwang, Tag und Nacht in seiner Nähe bleiben zu müssen -, und wenn er eines in den 17 Jahren seines Lebens gelernt hatte, dann war es, seine Streichhölzer in der Tasche zu behalten, solange er noch auf einem Berg voller Dynamitstangen saß.
    Und so wurde er auch hier zu einem Gespenst, zu einem blassen, substanzlosen Schatten, der mit gesenktem Kopf und starr auf den Boden geheftetem Blick zwischen den Bäumen umherschlurfte, dessen fahle Gestalt wie Rauch über die Dornen glitt, die versuchten, sich in sein Fleisch zu bohren und blutige Stücke aus seinem Körper zu reißen. Er spürte die Blicke der anderen Dorfbewohner, spürte ihre Wut, ihre Furcht und ihre Verwirrung, wenn sie ihn aus der Sicherheit ihrer Baumwipfel heraus beobachteten. Keiner von ihnen wagte sich in seine Nähe, keiner von ihnen schien das Bedürfnis zu verspüren, seine Vorurteile und Zweifel über Bord zu werfen und herauszufinden, ob das Monster aus ihrer Erinnerung tatsächlich dem Jungen glich, der da mit hängenden Schultern und traurigen Augen vor ihnen stand und verzweifelt darum kämpfte, einer von ihnen zu sein.
    Einmal am Tag erlaubten ihm Neanden und Gairevel, im Wald rings um das Dorf eine Handvoll Beeren und Nüsse zu sammeln, mit denen er zumindest seinen gröbsten Hunger zu stillen vermochte, doch weder boten sie ihm ein Dach über dem Kopf noch ließen sie den geringsten Zweifel daran aufkommen, dass sie jede seiner Bewegungen, die ihn näher als bis auf Steinwurfweite an die Stämme jener Bäume heranführte, die die Heimstätten ihrer kleinen Gemeinschaft trugen, als feindseligen Akt zu interpretieren – und entsprechend zu ahnden – gedachten.
    Und so verbrachte er die meiste Zeit am Ufer eines kleinen, zwischen Eichen und Tannen

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