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Wächter des Elfenhains (German Edition)

Wächter des Elfenhains (German Edition)

Titel: Wächter des Elfenhains (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gavénis
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und seine zarte, unschuldige Seele mit Niedertracht und Bosheit und gierigem Hass zu besudeln.
    Doch das änderte nichts. Er musste nur in ihre harten, verschlossenen Gesichter blicken, um zu wissen, dass er für die Elfen niemals unschuldig sein würde. Auch sein geringes Alter vermochte es nicht, die eisige Mauer der Ablehnung zum Schmelzen zu bringen und ein freundliches Lächeln auf ihre zusammengepressten Lippen zu zaubern, im Gegenteil war es für alle ein unübersehbares Zeichen, dass er nicht nur Ogaires Sohn, sondern darüber hinaus das Kind einer Menschenfrau war. Vermutlich waren sie sich nicht einmal einig, welcher der beiden Umstände ihn ursächlich zu einer Missgeburt machte.
    Rilcaron schaute ihn einen Moment lang mit regloser Miene an, und abermals hatte Andion das Gefühl, am Rand eines tödlichen Abgrunds zu stehen, der ihn bei der geringsten unbedachten Bewegung unweigerlich verschlingen würde. „Unabhängig davon, was Ionosen uns über dich erzählt hat, steht eines offensichtlich außer Frage: Deine Mutter war ein Mensch – und für Menschen ist der Hain verboten.“ Ein dünnes Lächeln erschien auf Rilcarons Lippen, und Andion erschauerte. „Wir werden also erst einmal feststellen müssen, wie stark das Blut der Elfen tatsächlich in deinen Adern fließt.“ Er machte eine knappe Geste. „Komm mit!“
    Andion folgte ihm mit gesenktem Blick. Er saß in der Falle, und Rilcaron wusste es. Denn selbst wenn es ihm tatsächlich gelingen sollte, einen derartigen Test zu bestehen – was in Anbetracht seiner eindrucksvollen Fähigkeiten im Umgang mit seiner Elfenmagie mehr als unwahrscheinlich war – war die eigentliche Frage doch eine andere. War es überhaupt gut, ihn zu bestehen? Im Augenblick wussten die meisten Elfen noch nicht, ob sie ihn für ein schauriges Monster wie Ogaire oder einfach bloß für einen armseligen Menschenbastard halten sollten, hatten sich noch nicht wirklich entschieden, ob hinter der unschuldigen Maske eines Siebzehnjährigen nicht möglicherweise ein blutrünstiger, wahnsinniger Albtraum nur auf den richtigen Moment lauerte, ihnen allen das Leben aus dem Leib zu reißen, oder er nicht mehr war als ein ekelerregender, aber letztlich harmloser Haufen Unrat, den man ohne viel Federlesens in den Rinnstein kehren konnte. Bei einem Menschen würden sie sich vielleicht damit begnügen, ihn lediglich aus dem Hain zu werfen, aber was würden sie tun, wenn sie herausfanden, dass zu viel von seinem Vater in ihm steckte? Selbst wenn er Rilcarons Prüfung bestehen sollte, war es möglich, dass er damit sein eigenes Todesurteil unterschrieb.
    Voll Bitterkeit presste er die Lippen aufeinander. Bis zuletzt hatte er daran geglaubt, irgendwie einen Weg in die Herzen der Elfen finden, sie mit Offenheit und harter Arbeit schließlich von seinen friedlichen Absichten überzeugen zu können. Doch was nützte alle Offenheit, wenn sie den Gefühlen, die sie in ihm spürten, nicht zu vertrauen vermochten?
    Aber wie könnten sie auch? Zu tief war die Scham, zu sehr schmerzte die Bewusstheit, dass sich ein ganzes Volk blind wie eine Herde Schafe zur Schlachtbank hatte führen lassen. Er könnte ihnen tausend Mal versichern, dass er nichts Böses im Schilde führte, und es noch intensiver so empfinden, glauben würden sie ihm dennoch nicht. So gesehen wäre er vermutlich gut beraten, den Ball in den nächsten Minuten ein wenig flacher zu halten, zumal er keine Ahnung hatte, wie stark das Erbe seines Vaters tatsächlich in ihm war.
    Doch er hatte den Gedanken kaum beendet, da bäumte sich alles in ihm gegen diese Vorstellung auf. Zeit seines Lebens hatte er gelitten, hatte gefürchtet, verrückt zu werden, weil er anders war als die anderen. Jetzt kannte er endlich den Grund dafür, und jetzt wollte er es selbst wissen. Er wollte wissen, wie sehr er sich tatsächlich von anderen unterschied, sei es nun von den Menschen oder von den Elfen. Vielleicht fand er so endlich heraus, wohin er gehörte. Wenn irgendjemand glaubte, ihm deswegen den Kopf von den Schultern schlagen zu müssen, dann sollte es eben so sein.
    Die Menge der Elfen teilte sich schweigend vor ihnen, als er Rilcaron zum Rand des Dorfes folgte. Er spürte Neandens Präsenz in seinem Rücken, die wie der heiße Atem eines Wolfs über ihn hinwegstrich – eines wilden, zornigen Wolfs, der bei dem winzigsten Zucken sofort bereit war, die Zähne in seinen Hals zu schlagen. Vermutlich wünschte nicht nur Neanden, er möge ihm einen

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