Waechter des Labyrinths
Er schrie und kippte auf den Rücken, klammerte sich an den Nachttisch und tastete blind nach seinen Pillen und dem Wasserglas. Doch der Dämon war zu stark für ihn, es war ein Ringer, der ihn auf die Matte drückte und sein Herz bearbeitete. Wieder wurde er durchgeschüttelt. Stumm bäumte er sich auf. Plötzlich musste er an den schönsten Moment seines Lebens denken und sah sich als Fünfzehnjährigen bei den griechischen Gewichtshebermeisterschaften in Athen, ein Junge unter Männern, der nicht klein beigab. Dann vermischte sich diese Erinnerung mit der Reaktion auf Knox’ Vortrag am Vormittag, dieser erhebende Moment der Stille, bevor der Applaus einsetzte, dieser wunderbare Applaus des Publikums, das sich wie ein Mann erhob.
Das Bild verblasste. Erschöpft sank er zurück auf die Matratze. Einmal im Beifall der Menge baden, mehr hatte er nie gewollt. Und was würde er jetzt für ein ewiges Leben geben? Die Minuten verstrichen. Der Schweiß auf seiner Haut kühlte ab. Sein Herzschlag beruhigte sich wieder. Der Tunnel verschwand.
Noch war es nicht so weit. Noch nicht. Aber bald.
Er seufzte, schob die Beine über die Bettkante, setzte sich auf und legte sein Gesicht in die Hände. Wenn man wie er allein lebte, war man ständig mit der Abscheulichkeit des Todes beschäftigt. Der Gedanke daran, so wie der arme Antonius gefunden zu werden … das war fast schlimmer als der Tod selbst. Er brauchte einen Menschen, der ihn liebte, jemand, der ab und zu nach ihm schaute, der vielleicht sogar bei ihm war, wenn die Zeit kam. Diese Last konnte er keinem Freund oder Kollegen auferlegen, nicht einmal seinem Bruder und Charissa. Eine solche Bürde konnte man nur von Eltern, Ehepartnern oder Kindern verlangen. Aber er war unverheiratet und kinderlos.
Als er sich wieder hinlegte, beschloss er, gleich morgen früh anzurufen. Doch diesen Beschluss hatte er bereits unzählige Male gefasst, und er war immer noch allein.
SIEBENUNDZWANZIG
I
Michail Nergadse wickelte einen Karamellbonbon aus, als er in Nadjas Sichtfeld kam, steckte ihn sich in den Mund und ließ das zusammengeknüllte Papier auf den Teppich fallen. Er lutschte ausgiebig daran, damit sich die klebrige Süßigkeit in seinem Mund verteilte, und schob den Bonbon dann mit der Zunge zur Seite, um besser sprechen zu können. Sie sah, dass er ihr Portemonnaie in der Hand hatte, das er jetzt öffnete, der Reihe nach die Kreditkarten herauszog, sie einen Moment betrachtete und dann wieder zurückschob. «Nadja Ludmilla Petrowa», sagte er. «Sie glauben nicht, wie sehr ich gehofft habe, dass Sie es sind, als ich hörte, eine Nadja sei hinter mir her, eine Frau, die hinkt.»
Nadja hatte keine Ahnung, wie viel er über sie wusste. Am besten ging sie davon aus, dass er gar nichts wusste, damit sie nicht umsonst etwas preisgab. «Hinter Ihnen her?», fragte sie. «Was reden Sie denn da? Wer sind Sie überhaupt?»
«Es ist wirklich eine Ehre für mich. Das meine ich ganz ehrlich. Ich bin einer Ihrer größten Fans. Sie müssen wissen, dass ich in den letzten Jahren in Amerika gelebt habe. Dort glaubt man, Georgien ist der Staat, in dem die Atlanta Braves Baseball spielen. Deshalb habe ich nach Nachrichten aus der Heimat gelechzt . Ich habe mit Begeisterung Ihren Blog gelesen.» Er winkte ab. «Alle anderen, die sogenannten seriösen Medien, drucken ja doch nur die offiziellen Pressemitteilungen nach und machen dann endlose Mittagspausen. Aber Sie nicht. Irgendwie typisch, oder? Der einzige Mensch in Georgien, der den Mut hat, zu sagen, wie es ist, ist eine Frau.»
«Was wollen Sie von mir?»
«Sie wissen, was ich will, Nadja. Ich möchte wissen, warum Sie es sich zur Aufgabe gemacht haben, sich in meine Angelegenheiten einzumischen. Ich möchte wissen, warum Sie einen Privatdetektiv engagiert haben, der gestern Abend vor dem Flughafen auf den Privatjet meiner Familie gewartet hat und dann meinen Gästen zu meinem Haus gefolgt ist. Ich möchte wissen, warum Sie uns heute nach Eleusis gefolgt sind und warum Sie sich eingemischt haben, als ich versucht habe, mit Daniel Knox zu sprechen. Und bitte streiten Sie es nicht ab. Vorhin hat mich Ihr Detektiv angerufen und freiwillig alles erzählt. Sie sollten Ihre Helfer nächstes Mal wirklich etwas sorgfältiger auswählen.»
Dieser verfluchte Sokratis! Sie hätte wissen müssen, dass er sie verraten würde. Sie überlegte, wie viel er gehört und weitergegeben haben könnte. «Ich recherchiere über den Wahlkampf», sagte sie.
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