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Waechter des Labyrinths

Waechter des Labyrinths

Titel: Waechter des Labyrinths Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Adams
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her. Aber die letzten Jahre waren nicht gut zu ihr gewesen.
    Sie gelangte in die ruhigeren, älteren Straßen von Plaka. Einige Männer mittleren Alters saßen in niedrigen Gartenstühlen um einen Tisch herum auf dem Gehweg. Sie ging dicht daran vorbei, doch sie schauten sie nicht einmal an. Als sie sich wegdrehte, stieß sie gegen einen der Stühle und erntete nur Gelächter.
    Dann knickte sie auch noch auf dem Kopfsteinpflaster um und fiel der Länge nach hin. Wodka und hochhackige Schuhe waren immer eine riskante Mischung. Sie rappelte sich auf, wischte sich Hände und Knie ab. Eigentlich hätte es ihr peinlich sein müssen, aber es war ihr egal. Ihre linke Hand begann zu pochen. Sie war nass, dreckig und aufgerissen. Mit gelähmter Neugier schaute sie zu, wie die ersten Blutstropfen aus der Haut sickerten.
    «Entschuldigen Sie», sagte ein Mann, der dem Akzent nach Deutscher war. «Alles in Ordnung?»
    Sie schaute sich erwartungsvoll um, aber er hatte eine Frau bei sich. «Alles in Ordnung», sagte sie.
    Sie zog ihren Schuh aus und untersuchte den Absatz. Da er ein bisschen wackelte, streifte sie auch den anderen Schuh ab und ging barfuß weiter, unsicher, in welche Richtung sie musste. Ihre Füße wurden kalt und nass, die Straßen wurden enger und leerer. Doch dann kam sie auf einen Platz, der ihr bekannt vorkam, bog nach links ab und sah die Leuchtschrift an der Fassade ihres Hotels. Auf der Straße davor parkte kein schwarzer Mercedes, nur ein paar andere Autos und ein weißer Lieferwagen. Sie war nicht so betrunken, dass sie achtlos wurde. Sie blieb stehen, um ihre Schuhe wieder anzuziehen. Der Portier war ein Wichtigtuer, und sie wollte nicht, dass er sie von oben herab behandelte. Erst als sie das Echo ihrer Schritte hörte, wurde ihr klar, dass die Straßen inzwischen menschenleer waren.
    Die Tür des Lieferwagens ging auf. Ein Mann stieg aus. Sie wusste sofort Bescheid. Sie drehte sich um und wollte weglaufen, doch ihr kaputter Absatz brachte sie zum Stolpern, und sie stürzte auf den Gehweg. Sie wollte schreien, aber es war zu spät. Eine Hand drückte ihr einen feuchten Lappen aufs Gesicht. Ihre Lippen brannten, als sie die Chemikalie einatmete. Trotz der Angst verließ sie augenblicklich jede Kraft. Dann wurde sie hochgehoben und zum Lieferwagen getragen. Das Letzte, was sie sah, war Michail Nergadse, der neben ihr kniete und sie anlächelte, als hätte er gerade eine Wette gewonnen.

SECHSUNDZWANZIG

I
    Franklin führte Knox in ein schummrig beleuchtetes Zimmer mit riesigen, ungerahmten expressionistischen Ölbildern an den Wänden. Er ging zum Barschrank, schenkte sich einen dunklen Schnaps ein, den er sofort herunterkippte, und füllte sein Glas gleich wieder nach. «Meine Frau mag es nicht, wenn ich in der Öffentlichkeit trinke», vertraute er Knox an. «Ich habe die schlechte Angewohnheit, nicht zu wissen, wann ich aufhören muss, und dann sage ich Dinge, die mir hinterher peinlich sind.» Er drehte sich mit einem bedeutungsvollen Blick zu Knox um. «Meine Frau hasst peinliche Situationen mehr als alles andere auf der Welt. Und weil ich sie liebe, tue ich alles, um das zu vermeiden.»
    «Verstehe.»
    Er füllte ein zweites Glas, das er Knox reichte. «Rauchen Sie?», fragte er und öffnete eine silberne Schatulle mit Zigarren.
    «Nein danke.»
    «Es stört Sie doch nicht, wenn ich rauche?»
    «Natürlich nicht.»
    Sie setzten sich in zwei Sessel, die schräg vor dem Fenster standen. Von dort aus konnten sie die wenigen Autos sehen, die vorbeifuhren, und gelegentlich einen Fußgänger. Franklin entzündete seine Zigarre, die einen aromatischen Geruch verströmte. «Ich entschuldige mich dafür, dass ich den Artikel nicht gleich erwähnt habe. Aber Sie müssen verstehen, dass ich mein Wort gegeben habe, nie wieder darüber zu sprechen.»
    «Ihrer Frau?»
    «Auch. Aber vor allem ihrem Vater.»
    «Ihrem Mentor», meinte Knox nickend. «Als Sie versprachen, Ihr Leben zu ändern, und er Ihnen eine zweite Chance gab.»
    «Richtig», sagte Franklin.
    «Trotzdem», entgegnete Knox. «Ich muss mehr darüber wissen.»
    Franklin sank in seinen Sessel, bis er ganz in der Dunkelheit verschwunden war und man nur noch das leichte Glimmen sah, wenn er an seiner Zigarre zog. «Es war Petitiers Einfluss. Der war größer auf mich, als ich mir eingestehen möchte. Ich habe Ihnen bereits von seinem Kampf gegen die eurozentrische Geschichtsschreibung erzählt, aber das war nicht sein einziger Kampf. Er hasste alle

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