Wächter des Mythos (German Edition)
Dorfkirche Santa Maria la Real an.
»Alles in Ordnung«, meinte er. »Die Zimmer, die ich schon während der Fahrt reservieren ließ, sind zwar etwas schlicht, doch sauber und liebevoll gehalten. Leider muss ich jetzt wieder zurück, wenn ich noch vor Mitternacht in Burgos sein will. Alles Weitere kann ich dann morgen erledigen, gegen Abend bin ich dann wieder hier. Das Gepäck habe ich bereits im Steinhaus neben dem Souvenirladen deponiert. So, und jetzt fehlt nur noch ihre Unterschrift unter dem Voraus-Protokoll. Eine definitive Niederschrift werde ich ihnen morgen mitbringen.«
Inspektor Rey reichte Alina eine Klemmmappe und einen Kugelschreiber. Sie warf Sandino einen fragenden Blick zu, doch dieser nickte nur beruhigend. Als beide unterschrieben hatten, verabschiedete sich Rey, reichte ihnen noch für dringende Fälle seine Visitenkarte und schlenderte zu seinem Wagen hinüber.
Während Alina dem Auto des Inspektors nachblickte, wandte Sandino seine Aufmerksamkeit schon der Kirche zu. Man sah dem Gebäude seine Geschichte wirklich an. Aus dem frühen 9. Jahrhundert stammend, hatte die Kirche 1.000 Jahre lang Unwetter, Feuer und zahlreiche Umbauten überlebt. Zwar war sie als der bescheidene Rest eines Klosters vor einigen Jahrzehnten gründlich restauriert worden, dennoch strahlte die schlichte Bauart der Vorromanik nach wie vor eine ungebändigte Kraft und abweisende Atmosphäre aus. Ein Aushang an der Einfahrt wies darauf hin, dass heute Abend ein Gottesdienst stattfinden sollte, was Sandinos Interesse weckte.
»Für heute habe ich schon genug erlebt«, antwortete Alina. »Ich bin müde und werde mich einfach nur ausruhen. Es ist gut, wenn wir uns in der Kirche einmal genauer umsehen, doch heute Abend bin ich dazu nicht mehr in der Lage.«
Bevor der Gottesdienst begann, wollte sich auch Sandino die Unterkunft ansehen. Unweit der Kirche, entdeckten sie vor dem Treppenaufgang zur Herberge die dazugehörende Gaststube. Dort wollten sie jetzt gleich noch zu Abend essen.
»Ist das Reisegepäck schon in den Zimmern?«, fragte Alina die Wirtin.
»Natürlich ist es das«, antwortete die füllige, schwarz gelockte Frau mit rosigen Wangen, die in diesem Moment hinter der Theke hervortrat. »Auf unseren Inspektor ist immer Verlass. Seid herzlich willkommen«, sagte sie und rieb sich die Hände an einem Geschirrtuch trocken. Sie stellte sich als Maria vor und betonte, dass damit ausnahmsweise nicht die Heilige Mutter Gottes der Kirche gemeint war, sondern sie selbst.
»Freunde meiner Freunde sind auch meine Freunde. Fühlt euch hier wie zu Hause. Die Zimmer stehen bereit und das Abendbrot ist auch gleich soweit.«
Es gab Fisch mit Kartoffeln, wovon die gutmütige Wirtin vergeblich nachschöpfen wollte. Sandino entschuldigte sich gleich nach dem Essen und ging in sein Zimmer, um sich frisch zu machen, da er zum Gottesdienst wollte.
Alina blieb sitzen und lies sich zum Nachtisch Schafsmilchjoghurt und verschiedene Käsesorten servieren. Zum Schluss setzte sich Maria mit einer Flasche Likör zu ihr an den Tisch.
»Sie haben es aber sehr gemütlich hier«, sagte Alina, während sie sich zufrieden in der behaglichen, kleinen Gaststube umblickte.
»Die Herberge habe ich vom Großvater geerbt«, erklärte Maria stolz.
Alinas Blick blieb auf ein paar Schwarzweißfotografien hängen, die in der Ecke des Raumes, in der Alina saß, die Wände schmückten.
»Dieser alte Mann auf dem Foto dort ganz links«, sagte Alina plötzlich fröstelnd und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Kennst du ihn?«
»Ja«, sagte Alina mit belegter Stimme, »das ist mein Vater.«
»Ach! Das nenne ich aber eine Überraschung, wir sind gute Freunde.«
»Er ist tot.«
»Dr. Andreas Bernard ist tot?«
»Ja, mein Vater wurde vor etwa zwei Wochen von einem umnachteten Priester erschossen.«
»Mein herzlichstes Beileid«, stammelte Maria bleich. »Von seinem Tod habe ich nichts gewusst. Andreas hat hier immer übernachtet, wenn er auf dem Weg war.« Sie schwieg bestürzt. »Ich kann das gar nicht fassen, ich habe immer das Gefühl, er könnte hier jederzeit vorbeikommen. «
Alina fuhr sich mit den Händen über ihre feuchten Augen und strich dann energisch ihr Haar zurück. »Ich wäre dankbar, wenn niemand davon erfährt, zumindest nicht, solange ich hier bin«, sagte sie bitter und versuchte ein entschuldigendes Lächeln.
Maria blickte sie verständnisvoll an, dann nickte sie ihr bedeutsam zu.
»Es tut mir leid um deinen Vater.
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