Wächter des Mythos (German Edition)
Mach dir keine Sorgen, von mir erfährt niemand etwas.«
Alina war aufgestanden, um tief Luft zu holen und ihren Schmerz vor Maria zu verbergen. »War mein Vater oft hier?«, fragte sie dann zögernd.
»Eine Zeit lang war er sehr oft hier, er hat nach etwas Bestimmtem gesucht«, antwortete Maria und blickte sie dabei fragend an.
Alina wich ihrem Blick aus und verabschiedete sich dann für den Abend von Maria. Sie zog sich in ihr schlichtes, doch sauber und liebevoll gestaltetes Zimmer zurück. Etwas sagte ihr, dass Maria über ihren Vater Bescheid wusste. Doch sie wollte heute nicht darüber reden. Sie war einfach zu erschöpft von den Ereignissen der letzten Tage. Trotzdem schickte sie noch eine SMS an Gabriel, berichtete ihm das Wichtigste von Burgos, dass sie gut in O’Cebreiro angekommen waren und wünschte ihm eine gute Nacht.
* * *
Sebastiano hielt noch immer das Handy in seiner Hand und schaute wie benommen auf das Display. Soeben hatte sein Vorgesetzter angerufen und ihm mitgeteilt, dass Rom die ganze Sache einfach abgeblasen hatte.
»Ich fürchte, mein Sohn, der Vatikan ist nicht umzustimmen«, hatte sein Vorgesetzter mit Bedauern am Telefon gesagt, »sie lehnen jede weitere Hilfe von uns ab. Kardinal Walter will sich ab sofort selbst um die Sache kümmern. Es ist, als hätte er einen Pakt mit Dämonen geschlossen, als bezeichnete er damit unser Werk des Glaubens für den Vatikan nur noch als ein Trugbild !«
»Dann ist daraus zu schließen«, hatte Sebastiano entsetzt geantwortet, »dass es innerhalb des Vatikans immer mehr Abgefallene gibt. Der Teufel verfügt eben über tausend Arten und Künste, die Einheit der Kirche zu spalten.«
» So ist es, mein Sohn. Nicht nur dunkle Gemeinschaften huldigen dem Satan, das Böse existiert bekanntlich auf allen Ebenen. Gott hat die Kirche in gottlose Hände gegeben. Denn jene, die den Gerechten schuldig sprechen, sind dem Herrn ein Gräuel!«
»Ein Gräuel , jawohl! Unreine Seelen umgarnen den Vatikan, mit ihrem Gift versuchen sie, die Kirche vom rechten Weg abzubringen.«
»Ich fürchte, die Welt wird angesichts ihrer Glaubensschwäche auf die Probe gestellt. Wir müssen handeln, bevor es zu spät ist!«
»Und zwar noch bevor die vom Teufel Verführten mit ihrer eigenen Verdorbenheit alle anderen ins Verderben stürzen!«, hatte Sebastiano geantwortet.
»Ohne Zweifel, doch was sollen wir dagegen tun?«
»Der Verstand des Kardinals Walter wurde vom bösen Engel verdunkelt. Doch Gott wird durch mich richten , den Gerechten und den Gottlosen!«
»So wirke mit Gott, mein Sohn«, hatte ihm sein Vorgesetzter geantwortet und aufgelegt.
Sebastiano hob feierlich sein Haupt. »Dieser Walter hält sich für einen großen Kardinal«, vernahm er eine flüsternde Stimme in seinem Kopf, »doch in unseren Augen ist er jetzt nur noch ein Narr.«
»Nicht mal die Heiligsten und Gläubigsten der Kirche unseres Gottes sind frei von den Täuschungen der Dämonen und ihren Versuchungen«, murmelte Sebastiano, während er sich an seinen Computer setzte.
Was sollte er jetzt tun? Dem Heiligen Vater sagen, dass dieser Kardinal so nicht weitermachen durfte? Doch der werde ihm nicht glauben, niemand im Vatikan werde ihm glauben.
Sebastiano durchstöberte die aktuelle Datei des Kardinalpräfekten der Kongregation für Glaubenslehre. Wie ein unruhiger Geist bewegte er sich mitten im Herzen des Vatikans, bis er auf eine Meldung stieß, die für ihn von Interesse war. Der Kardinal hatte den Airbus A320 bis auf Weiteres für sich reserviert. Als Zielflughafen für das gecharterte Flugzeug des Vatikans war Santiago de Compostela angegeben.
Zum Glück hatte die Bruderschaft gute Verbindungen zu den Nazarenos in Spanien. Auch zu den Büßern in Santiago de Compostela, die sich im Rahmen von festlichen Umzügen in streng christlicher Ausrichtung auf das Leiden Jesu bezogen. Für einen nicht Eingeweihten sahen diese Nazarenos fast so aus wie jene vom Ku-Klux-Klan. Sie trugen bei ihren Zeremonien große Spitzhüte, schwere Kreuze, Kerzen und Standarten.
* * *
Eine laue Briese begleitete die Dämmerung, die sich behutsam über das kleine Dorf legte. Sandino ging über den Kies zum Portal der Kirche Santa Maria la Real. Das Eichentor mit seinen schweren Eisenbeschlägen stand offen. Beim Betreten dieser wehrhaften Kirche wehte ihm ein kalter Luftzug entgegen, es roch nach Kerzenwachs und kühlem alten Gemäuer. Sandino knöpfte fröstelnd das Jackett zu, bevor er Daumen und
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