Wächter des Mythos (German Edition)
Gehen lieber.«
Kapitel 5
»Willkommen, liebe Mitbrüder«, ertönte die Stimme von Kardinal Walter blechern aus den Lautsprechern des Computers. Der Priester Sebastiano versuchte, die Gesichtszüge des Sprechers auf dem Monitor zu erkennen, doch man hatte den Teil des Raumes, in dem er saß, stark abgedunkelt. Das Gesicht des Kardinals lag im Halbdunkel, als erläutere er mit einer gewissen Beschämung die erforderliche Pflicht, die heute auf seine Brüder fallen sollte. Nur an den klaren Umrissen seiner Robe konnte Sebastiano den hochrangigen Kardinal aus Rom erkennen. Der Bischof, der an Sebastianos Seite saß, nickte dem Kardinal wohlwollend zu.
»Meine lieben Brüder, ich bitte demütigst um Verzeihung, dass Sie sich meinetwegen zu dieser späten Stunde bemühen mussten«, begann nun der Kardinal seine Ansprache.
»Aber keineswegs!«, sagte der Bischof der Bruderschaft liebenswürdig und faltete seine Hände andächtig über dem Bauch. »Wir hängen doch mit ganzer Seele am katholischen Rom und danken Eurer Eminenz, dass Sie sich in Stunden der Not an uns wendet und um Hilfe bittet.«
»Euer Mitbruder in Rom hat seinen Kampf verloren, nun brauchen wir einen treuen Christen, der bereit dazu ist, die Wahrheit seines Glaubens im Kampf unter Beweis zu stellen.«
»Wir haben einen Ersatzmann für Bruder Roberto, dank der einstmals sehr vorbildlichen Regierungen in Argentinien und in Chile unter Augusto Pinochet, die eine Ausbildung unserer Offiziers-Exorzisten ermöglicht haben.«
»Gott sei Dank! Rom kann nicht mehr mit ansehen, wie die Seelen in Scharen der Hölle zustreben. Daher schenken wir Eurer Bruderschaft unser vollstes Vertrauen und unsere ungeteilte Aufmerksamkeit.«
»Vielen Dank«, erwiderte der Bischof geschmeichelt. »Wir werden Ihre Erwartungen nicht enttäuschen.«
»Weshalb also Zeit vergeuden? Die Stunde der Wahrheit naht, deshalb würde ich es vorziehen, gleich zum Geschäftlichen zu kommen?«
»Gewiss doch! Der Atheismus greift heute schnell und uferlos um sich, beruht er doch auf der Erklärung der Menschenrechte. Die Staaten, die sich dazu bekennen, leben in einem Zustand andauernder Todsünde. Wir müssen handeln, noch bevor es zu spät ist, daher sind wir sehr angetan davon, wie zügig Sie jetzt zu Werke gehen wollen.«
»Wenn wir diesen Kampf bestehen, so werde ich mich umgehend für die Rehabilitierung der exkommunizierten Bischöfe der Bruderschaft einsetzen.«
»Wir werden Rom dafür sehr dankbar sein. Unser Mitbruder Sebastiano ist als Offiziers-Exorzist im Kampf gegen den Antichrist bestens gerüstet.«
»Sie haben die Unterlagen gelesen, verehrter Sebastiano, haben Sie dazu noch irgendwelche Fragen?«, fuhr der Kardinal fort.
Sebastianos kalter Blick glitt über den Tisch zum kleinen Monitor. Sein Haar war schon ergraut, doch in seinen entschlossenen Gesichtszügen lag noch eine jugendliche Frische, allein sein Mund ließ einen brutalen Zug erkennen.
»Mir liegen die Unterlagen bereits vor. Ist das alles, worum ich gebeten werde?«
»Gewiss.« Die Stimme von Kardinal Walter klang jetzt ernst. »Doch ich möchte Ihnen nicht verhehlen, lieber Mitbruder, dass der Vatikan in dieser Sache keine Verantwortung übernimmt. Sie sind vollkommen auf sich selbst gestellt.«
»Ich hege diesbezüglich keinerlei Bedenken, denn Gott steht mir bei. Zudem ist es mir eine Ehre, für die künftige Gesellschaftsordnung einzutreten, in welcher die Todesstrafe nicht nur für Abtreibung und Homosexualität, sondern insbesondere für Gotteslästerung gilt.«
»Ich weiß Ihre gottesfürchtige Einstellung sehr zu schätzen, deshalb wende ich mich auch an die Bruderschaft«, erwiderte Kardinal Walter und fügte abschließend hinzu: »Den Dienst, den Sie unserer gotterwählten Kirche erweisen, werden wir Ihnen nicht vergessen…«
Das Bild zuckte, der Monitor wurde schwarz und Stille breitete sich aus. Das Gespräch mit Rom war auf unerwartete Weise frühzeitig beendet worden. Für ein, zwei Sekunden war etwas wie ein statisches Rauschen aus dem Lautsprecher zu hören, dann wurde es vollständig still. Der Bischof brach darauf das Schweigen, Sebastiano hätte nicht gewagt, vor ihm das Wort zu ergreifen.
»Wie es aussieht, Bruder Sebastiano, scheint Rom nun nicht mehr länger in seiner modernistischen Position zu verharren, in der mit unserer Bruderschaft kein Übereinkommen möglich war.«
»Roms Reformen und Liberalismen sind vollkommen vergiftet. Sie führen zu nichts anderem als
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