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Wächter des Mythos (German Edition)

Wächter des Mythos (German Edition)

Titel: Wächter des Mythos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Saurer
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Origenes, er lebte etwa von 185 bis 254 nach Christus, – Contra Celsum, erstes Buch, Absatz 28 – finden wir eine kuriose Überlieferung, derzufolge sich Jesus aus Armut als Tagelöhner nach Ägypten verpflichtet haben soll. Dort soll er sich auch einige Zauberkräfte angeeignet haben, auf welche die Ägypter stolz waren. Jesus sei dann zurückgekehrt und habe sich mit ihrer Hilfe öffentlich als Heiler versucht.«
    »Das hört sich ja sehr kurios an. Doch historisch betrachte klinkt das um einiges realistischer als die Bibel. Dann hätte sich Jesus auch nicht vor der Verantwortung gedrückt. Er ging nach Ägypten, um dort als Tagelöhner Geld für seine Familie zu beschaffen«, stellte Gabriel erstaunt fest.
    »Hinzu kommt, dass sich Jesus in Ägypten anscheinend auch Bildung aneignete und auch auf diese Weise bei seiner Rückkehr die Aufmerksamkeit seiner Mitmenschen auf sich zog.«
    »Ist diese altkirchliche Überlieferung von Origenes wirklich wahr? Kann man die auch im Internet nachlesen?«
    »Aber ja, sicher.«
    »Dann kann ich also sofort nach dieser Überlieferung suchen?«
    »Ja, aber erst werden wir uns um das hier kümmern«, sagte Alina bissig und zeigte auf die Pfanne hinter sich. »Wir werden jetzt in aller Ruhe wie zwei zivilisierte Menschen zu Abend essen.«
    »Selbstverständlich«, antwortete ihr Gabriel beschämt und fuhr sich verwirrt mit der Hand über den kahlen Kopf.
    Sie wandte sich um und tat ein paar Esslöffel Crème fraîche in die Soße. Dann ließ sie das Ganze noch ein paar Minuten garen, während Gabriel ihr half, den Tisch zu decken.
    »Aber um auf deine Frage zurückzukommen, wie Jesus zu seiner zum Teil ausgeprägt hellenistisch-philosophischen Bildung gekommen ist: Es gibt überzeugende Argumente dafür, dass Jesus in Alexandria mit einer religiösen jüdischen Gruppierung Kontakt hatte. Ob Jesus nun einen Sohn hatte oder nicht, die Beschreibung der Gruppe stimmt mit seinem Verhalten als Prediger relativ gut überein. Denn diese sogenannten Therapeuten zogen sich aus ihren Familien in die Gärten außerhalb der Städte zurück und lebten asketisch und ehelos in Hütten, nur mit dem Nötigsten an Essen und Kleidern versorgt. Es gab Siedlungen am Mareotischen See bei Alexandria. In ihrer Gemeinschaft waren Männer wie Frauen gleichberechtigt zugelassen.
    In einer Überlieferung wird berichtet, dass sie den Geschlechtsverkehr ablehnten und dass die weiblichen Therapeutriden keine leibliche Nachkommenschaft anstrebten. Logion 79 des Thomas-Evangeliums, das von der Kirche oft als Beispiel für die Minderwertigkeit dieses Evangelium benutzt wird, ist nur im Kontext mit dieser Überlieferung von Philon zu verstehen. Die Therapeuten stehen als jüdisch-asketische Gemeinschaft in einem historischen Zusammenhang mit dem Leben Jesu und gelten heute als die Vorläufer des christlichen Mönchs- und Nonnentums.
    Die Therapeuten praktizierten eine für uns auch heute noch geläufige therapierende und damit heilende Tätigkeit, die damals wohl als Zauberei verschrieen war. Menschen mit leiblichen Gebrechen wie Aussatz, Besessenheit oder Invalidität galten in der Heimat von Jesus ja als ›levitisch‹ , also als unrein. Folglich mussten nach damaligem Verständnis schon irgendwelche Zauberkräfte bei der Heilung dieser Menschen mitgewirkt haben.«
    Mit einem gequälten Grinsen hielt Alina inne: »Tut mir leid, aber ich habe mich mit all dem viel zu viel beschäftigt. Der Vortag ist jetzt beendet.«
    Gabriel, der schweigend zugehört hatte, klatschte laut Beifall. Alina verbeugte sich verlegen, nahm aber dann das Essen vom Herd.
    » Voilà . Nicht wie sonst üblich, ich habe unser Gericht eben mit dem gekocht, was da war. Und hier die Überraschung des Abends.«
    »Woher hast du den denn?«
    »Den hab’ ich in den Gewölben meines Vaters gefunden, einen vermutlich vorzüglichen Weißwein.«
    Gabriel besaß nicht die Weinkenntnisse Alinas und begnügte sich damit, ihr zuzustimmen. Während des köstlichen Festmahls amüsierte sich Alina über seine Neugier auf Logion 79 des Thomas-Evangeliums. Sie war der Meinung, das sei Frauensache und er müsste das eben auch im Internet nachlesen, wenn er sich so sehr dafür interessierte. Um seinen Unverstand wettzumachen, versuchte es Gabriel mit Kaffee-Kochen. Doch Alina lehnte dankend ab. Sie konnte nach Kaffee oft nicht schlafen.
    »Was möchtest du denn?«, fragte er etwas verunsichert und stellte die Kanne ab.
    »Ein Tee wäre mir vor dem ins Bett

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