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Wächter des Mythos (German Edition)

Wächter des Mythos (German Edition)

Titel: Wächter des Mythos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Saurer
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der Begründer der Tiefenpsychologie, hat sich mit dem Werk beschäftigt, da die verwendete Symbolik bei den Menschen aller Zeiten und Zonen in der Form sogenannter Archetypen vorkommt und sich spontan in Träumen, Fantasien, Sinnbilder, Legenden, Märchen und Sagen äußert.«
    »Respekt. Dein Vater hatte in dir wirklich seine beste Schülerin!«
    »Danke. Lob kann ich gebrauchen, denn es war keine leichte Schule«, freute sich Alina.
    »Und was soll dieses Fabeltier mit den zwei Köpfen, das sich da um den Brunnen windet?«
    »Oh, das ist Merkur Bicephalus , das Symbol der Zweiheit oder des Gegensatzes. Dieser Drache ist zwar eins, aber seine Köpfe blicken in verschiedene Richtungen. Es geht hier um das Getrenntsein in gegensätzlich wirkende Elemente, die im Rund des Brunnens geeint werden müssen. Ein weiteres Symbol ist der Sockel des Brunnens selbst. Er versinnbildlicht als Dreieck die dreifache Natur der Einheit, die durch das Runde des Brunnens symbolisiert wird.
    »Du meinst die Dreifaltigkeit?«, fragte Gabriel.
    »Dreifaltigkeit oder auch Dreieinigkeit, ist im Grunde dasselbe. Letzteres beschreibt sogar den Begriff durch Verschmelzung der Zahl: Drei ist Eins. Dabei geht es um die beiden Pole der Gegensätze und die daraus resultierende Wechselwirkung als dritten Pol«, erklärte Alina.
    »Habe ich dich richtig verstanden? Wenn ich zum Beispiel die beiden Urpole Geburt und Tod nehme, dann ist die daraus resultierende Wechselwirkung als dritter Pol das Leben? Beim Beispiel von Mutter und Vater ist die daraus resultierende Wechselwirkung das Kind. Mutter-Vater-Kind ist demnach als ein weiteres Beispiel der Dreieinigkeit zu verstehen, wie auch Geburt-Tod-Leben?«
    »Ja, richtig«, erwiderte Alina. »Die sich gegenseitig umfassenden Aspekte der Dreieinigkeit sind immer in der Einheit selbst enthalten. Wie Materie, Geist und Seele, die auch als einzelne Aspekte der Dreieinheit Mensch verstanden werden.«
    »Dieser Merkurbrunnen steht also für den Schmelztiegel, in dem das mit Gegensätzen kämpfende, körperliche, geistige und seelische Gefüge wieder ins Lot gebracht wird. Was haben denn die eigenartigen Fratzen, die wie Wasserspeier an gotischen Kathedralen aussehen, damit zu tun?«
    »Als Fratzen würde ich die beiden Köpfe links und rechts am Brunnen nicht bezeichnen«, sagte Alina amüsiert. »Sie symbolisieren die beiden Wasser Mercurius und Sulfur, von denen wir eben gesprochen haben, in ihrer ursprünglich dualistischen Form. Aus dem Mund des einen Kopfes müsste hier wohl weißes Wasser und aus dem anderen rotes Blut fließen. Das dritte, später hinzugefügte Element Salz fließt bei diesem Brunnen in seiner Tiefe als symbolisches Urmeer, als Urwasser der Schöpfung oder als das Unbewusste. Salz wird hier mit dem Brunnenwasser symbolisiert.«
    »Faszinierend«, sagte Gabriel, der allmählich Gefallen an dem geheimnisvollen Ratespiel fand. »Auf jeden Fall eine einleuchtende Symbolik, gerade dann, wenn dieser Brunnen faktisch der Zugang zur Salzmine sein könnte. Nur die Bedeutung für das rote Blut und das weiße Wasser ist mir noch nicht klar geworden.«
    »Sie symbolisieren die beiden Urpole, das Weibliche und das Männliche. Es ist eigentlich nichts anderes als eine alchemistische Version der Yin-Yang -Theorie.«
    »Das ist wirklich großartig. Dann ist das hier also so etwas wie ein esoterischer Zauberbrunnen?«
    »Nein«, sagte Alina belustigt, »eher so etwas wie eine weibliche Gebärmutter!«
    Gabriel sah sie entgeistert an. »Ich denke nicht, dass ich mich verhört habe?«
    »Nein«, platzte Alina lachend hervor, da sie Gabriels Gesichtsausdruck amüsierte. »Nein, ganz und gar nicht. Der Brunnen selbst ist ein Gefäß, in dem eine Wandlung geschieht. Er wird tatsächlich auch als Uterus bezeichnet, in dem der Fötus reift.«
    »Das wird ja immer schöner, und in diesen Uterus sollen wir jetzt hinuntersteigen?«
    »Natürlich«, sagte Alina und rieb sich die Tränen aus den Augen, »oder hast du etwas dagegen, eine innere Wandlung durchzumachen?«
    »Nein, nicht, wenn es unbedingt sein muss«, antwortete Gabriel lakonisch.
    »Ich fürchte, uns bleibt keine andere Wahl, wenn wir an den Kelch herankommen wollen.«
    »Vielleicht versuchen wir es doch besser mit einem anderen Brunnen. Hast du schon vom ›Chalice Well‹ gehört, dem Bekanntesten aller Brunnen, die mit dem Gral in Verbindung gebracht wurden?«, schlug Gabriel ausweichend vor.
    »Sicher hab’ ich das und unser Merkurbrunnen wird

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