Wächter des Mythos (German Edition)
mit dem Ding machen?«
»Das, wozu es da ist, wir werden mit dem Ding graben !«, antwortete sie entschlossen.
Gabriel blickte sich verstört um. »Und wo?«
»Hast du etwa von diesen faulen Tomaten da welche auf den Augen«, fragte sie ihn spitz und wies auf einen der herumstehenden Teller mit vergammelten Speisen.
»Du meinst doch nicht etwa das Grab dort?«
»Gibt es denn noch andere Möglichkeiten, hier mit diesem Ding zu graben? Alles um uns herum ist aus Fels und Stein. Also, worauf wartest du?«
Kapitel 7
Sandino traf viel zu früh am Gate seines Anschlussfluges auf dem Pariser Flughafen ein und konnte noch das Ende der Schlange von Passagieren beobachten, die einen Flug vor ihm nach Nîmes nahmen. Sein Flugzeug von Bangkok war wegen günstiger Windverhältnisse vorzeitig gelandet, nun musste er sich hier zweieinhalb Stunden lang gedulden.
Einer der letzten Passagiere war ebenfalls ein Priester, kräftig gebaut, mit ergrautem Haar, er strahlte eisige Kälte aus. Während dieser auf seinen Boarding-Pass wartete, kreuzten sich kurz ihre Blicke. Seine ausdruckslosen stechend blauen Augen waren gefrorenes Eis und seine harten Gesichtszüge der Inbegriff abnormer Erbarmungslosigkeit. Seltsam, nie zuvor war Sandino ein solcher Priester begegnet.
Er setzte sich in einen der schwarzen Ledersessel und überlegte, ob er sich einen Kaffee besorgen sollte, gab diesen Gedanken jedoch wieder auf, denn er war auf seinem Interkontinentalflug gut bedient worden. Er lehnte sich zurück und schloss die Augen, Gedanken jagten durch seinen Kopf, und er fühlte sich plötzlich ausgebrannt. Denn all seine Bemühungen waren – wie so oft – ein Abenteuer auf körperlicher und intellektueller Ebene, die ihn doch einiges an Kraft kosteten. Was mit einem Mord in Basel seinen Anfang genommen hatte, war nun zu einem verworrenen Knäuel mit unvorhersehbaren Dimensionen geworden. Der Ball, den der Mörder aus dem Vatikan ins Rollen gebracht hatte, war wie ein Schneeball größer und größer geworden. Selbst das Bündnis war involviert, Menschen wie Frank, die auf der ganzen Welt für eine gute Sache kämpften.
Vor Jahren war Sandino auf Frank aufmerksam geworden. Er hatte dem Vatikan mittels einer Menschenrechtsorganisation den Vorwurf gemacht, gegen drei rebellische Priester methodisch vorgegangen zu sein, um ihren Tod herbeizuführen. Die Priester hatten zu jenen gehört, die den Menschen zu irdischem Recht verhelfen wollten, statt sie auf ein himmlisches Reich zu vertrösten.
»Es gibt keine Scheiterhaufen mehr«, hatte Frank damals zu ihm gesagt, als er ihn endlich als die Quelle indiskreter Informationen ausfindig gemacht hatte. »Doch es gibt andere Mittel, um Leute zum Schweigen zu bringen.«
Im Laufe mehrerer Gespräche waren sie Verbündete im Kampf für das Grundrecht aller Menschen geworden, frei und gleich an Würde und Recht zu leben. Folglich setzten sie sich auch für ein Dasein jedes Einzelnen in einem geeinten Reich auf Erden ein, einem Schwellenort zwischen himmlischer und irdischer Sphäre.
Einen Anfang dazu hatten die Menschen ja vor langer Zeit gemacht. Als Ausdruck dieses neuen Willens hatten sie ohne Computer, Maschinen oder rechnerische Kenntnisse der Statik mit dem Bau der gotischen Kathedralen begonnen. Doch vor über 700 Jahren waren die Ideen der Gralsgemeinschaft noch ein sehr utopischer Entwurf einer Templer-Elite, die hierarchischen Idealen verpflichtet war und sich nicht in unmittelbarer Verbindung zu Gott wähnen durfte.
Heute sind wir in gewisser Hinsicht einer Verwirklichung dieser Gesellschaftsutopie durch Menschenrechte, Religionsfreiheit und die Entwicklung der Wissenschaften ein ganz erstaunliches Stück näher gekommen.
»Vergessen Sie nicht, Monsignore Sandino«, hatte ihn Frank gemahnt, »dass Ihre Mission rein informativ ist. Sie werden absolute Neutralität bewahren. Je nachdem, was Sie an uns weitergeben, werden wir dann später die entsprechenden Schritte einleiten.«
Sandino öffnete seine Augen und ließ den Blick in der Abflugshalle umherschweifen, denn zu viele Dinge geisterten durch seinen Kopf. Immer wieder blitzten hinter seinen Lidern auch Eindrücke der letzten Tage auf. Aber auch Derartiges, über das er schweigen musste. Denn die wahren Christen folgten dem Grundsatz: ›Prüfe nicht, sondern glaube! Dein Glaube wird dich retten‹.
Um sich etwas zu zerstreuen, griff Sandino nach einer liegen gelassenen Zeitung. Beim Durchblättern weckte einer der
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