Wächter des Mythos (German Edition)
Entsprechung.
Nun, deine Interpretation von eben ist gut, doch den Mittelpunkt dieses Hexagramms ziert nicht der Merkur, es sind Mond und Sonne. Deshalb scheint es hier eher um das Prinzip der polaren Einheit zu gehen, die durch das Hexagramm hervorgehoben wird. Schon bei den alten Griechen stand das mit der Spitze nach unten weisende Dreieck für Wasser oder die irdische Materie und das aufwärts gerichtete Dreieck für das Feuer, für Geist und alles Immaterielle. Daher glaube ich, dass hier die Vereinigung der Gegensätze dargestellt wird. Das mit der Spitze nach unten gerichtete Dreieck stellt den weiblichen Pol und das mit der Spitze nach oben gerichtete Dreieck den männlichen Pol der Drei-Einheit dar.«
»Also etwa entsprechend dem östlichen Gegenstück. Die konkave Form symbolisiert die weibliche Polarität und die konvexe Form die männliche Polarität«, stimme Gabriel ihr zu.
»Das ist richtig, wie Yoni und Lingam im Hinduismus, doch das erklärt noch gar nichts.«
» Ach , und wieso?«, fragte Gabriel enttäuscht.
»Wichtig ist, das Trinitäts-Prinzip hier als eine polare Dreieinheit zu verstehen. Also: Jeder Mensch ist Geist , Körper und Seele ; jeder Mensch ist zudem aber auch weiblich oder männlich . Das Prinzip des Geschlechts ist in allem und offenbart sich auf allen Ebenen. Die Aufgabe der Geschlechts-Polarität ist es, Neues zu erschaffen. Aus diesem Grund ist die polare Dreieinheit nicht als ein endgültiger Zustand zu verstehen, sondern durch die Geschlechts-Polarität immer als ein neuer Anfang mit einem künftigen Inhalt.«
»Die Dreieinheit des Menschen ist durch die Geschlechts-Polarität also keine Geschlossenheit?«
»Als eine Geist-Körper - Seele Einheit, die zudem weiblich oder männlich ist, lässt sie sich nicht mehr auf die Dreieinheit begrenzen. Dennoch ist jeder Mensch Teil dieser Dreieinheit, die er zugleich auch selbst verkörpert. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Dreieinheit von Vater-Mutter-Kind , von der wir immer auch selbst ein Teil sind. Daher besteht das Menschen-Wesen aus dem Vater als dem männlichen Aspekt, aus der Mutter als dem weiblichen Aspekt und aus dem Kind als einem Aspekt unseres heranreifenden Selbst. Der Mensch trägt als Teil des Makrokosmos in sich selbst auch den Mikrokosmos.«
»Also, mit anderen Worten«, folgerte Gabriel, »alles ist ein Teil des Ganzen und trägt das Ganze in sich selbst. Es ist wie mit dem Ei und dem Huhn. Das Huhn trägt das Ei in sich und das Ei das Huhn. Als Mensch ist man also dazu berufen, sich selbst zu einen, um sich seiner allumfassenden Ganzheit bewusst zu werden.«
»Sehr gut, ich glaube, das ist auch der Sinn dieser ganzen Übung.«
»So und jetzt? Sollen wir etwa heiliggesprochen werden?«
» Langsam , alles zu seiner Zeit«, gab ihm Alina vergnügt zu Antwort. »Wir sollten den Altar noch einmal genau untersuchen, um das besser zu verstehen. Also, die übereinanderliegenden Dreiecke illustrieren hier sehr deutlich als polare Dreieinheit die beiden Urpole. Ist doch klar, oder? Das untere Dreieck, als weibliche Dreieinheit mit dem Salz steht demnach für Körperlichkeit und das obere, als männliche Dreieinheit mit dem Schwefel steht für Geistigkeit.«
»Und weil die Dreiecke übereinanderliegen, geht es hierbei also um die Verschmelzung von Materie und Geist?«
»Oder von Mond und Sonne, da Salz ja von Natur aus weiß ist und der Schwefel gelb«, gab Alina lächelnd zur Antwort. »Doch das kommt wohl aufs Gleiche heraus.«
»Da könnten wir wohl noch zahllose Zusammenhänge kreieren. Doch einigen wir uns auf den Vorschlag mit den beiden Himmelskörpern, da sie ja den Mittelpunkt des Altars prägen. Was also willst du jetzt mit dem Salz und dem Schwefel anfangen?«
»Salz ist löslich und Schwefel brennbar. Na, macht es bei dir klick ?«, fragte Alina keck.
»Willst du etwa dieses Salz in Wasser auflösen und den Schwefel in Brand stecken?«
»Hast du etwa eine bessere Idee?«, fragte Alina und blickte Gabriel herausfordernd an.
»Und was soll das Ganze bringen?«
»Das Salz wird mit Wasser vereint und der Schwefel mit Feuer.«
»Und dann?«
»Erfolgt die Aufhebung von Salz und Schwefel.«
»Und dann?«
»Du hast mir diese simple Frage doch schon mal gestellt«, antwortete Alina ihm unwirsch.
»Na schön, mach, was du willst. Soll ich schon mal Wasser holen?«
»Gute Idee«, meinte Alina erleichtert. »Ich werde mir das Ganze hier noch einmal genauer anschauen.«
Als Gabriel zurückkam,
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