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Wächter des Mythos (German Edition)

Wächter des Mythos (German Edition)

Titel: Wächter des Mythos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Saurer
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hielt er die Lampe wie ein Hund zwischen den Zähnen und machte ein unglückliches Gesicht. Denn von dem Wasser, das er mit beiden Händen geschöpft hatte, um es zum Altar zu bringen, war leider nichts mehr übrig. Alles war durch seine Finger geronnen.
    » Hier , versuch es mal mit einem Krug«, sagte Alina schmunzelnd, »ich glaube, wir verdanken diesen Krug, die Streichhölzer und den Tiegel meinem Vater. Hab’ alles dort drüben gefunden, somit besteht ja jetzt kaum noch ein Zweifel, was hier zu tun ist.«
    »Freu dich mal nicht zu früh«, wies Gabriel sie zurecht und machte sich etwas mürrisch wieder an die Arbeit. Als er zurückkam, füllte er vorsichtig die drei runden Vertiefungen des unteren Dreiecks mit Wasser, während Alina das Salz mithilfe des Tiegels darin auflöste. Erstaunt stellten sie fest, dass das Wasser rasch versickerte, nachdem sich das Salz gelöst hatte. Doch dann entdeckten sie kleine Öffnungen, die zuvor vom Salz verborgen gewesen waren.
    »Zumindest ergibt es so einen Sinn«, sagte Alina und zündete nun den Schwefel in den drei Vertiefungen des oberen Dreiecks an.
    Zuerst geschah gar nichts, doch dann vernahmen sie einen oszillierenden Ton. Das Geräusch wurde allmählich lauter und erfüllte bald den ganzen Höhlenraum. Gleichzeitig stiegen in schlängelnder Bewegung drei dünne weiße Rauchsäulen aus den Vertiefungen des unteren Dreiecks auf, dort, wo das Salzwasser versickert war. Dann nahmen die Flammen eine andere Intensität an, sie erstrahlten in einem hellen Glanz. Plötzlich perlten silberne Tropfen in die drei Rinnen, die mit dem kreisförmigen Ring im Zentrum verbunden waren. Staunend beobachteten sie, wie das flüssige Silber die drei Rinnen füllte und sich im Kreis am Mittelpunkt entlang bewegte, bis er sich schloss.
    » Quecksilber! «, stieß Alina verblüfft hervor. »Die Auflösung der beiden Elemente in Wasser und Feuer ist die symbolische Erzeugung des dritten Elements, des Quecksilbers. Mit dem Schließen des Kreises sind die alchemistischen Grundsubstanzen geeint.«
    » Erstaunlich «, platzte es aus Gabriel hervor, »dieser ganze Zauber wirkt durch Wärmeausdehnung !«
    Dann nahmen sie im weißen Schleier über dem Altar eine Bewegung war. Überraschend und auf eine unwirkliche Art schien plötzlich aus dem Mittelpunkt des Altars ein Kelch aufzutauchen. Seine Konturen zeichneten sich erst nur undeutlich ab. Dann lichtete sich der Rauch und sie konnten seine Form und tatsächliche Existenz klar erkennen.
    »Alles nur Illusion durch Wärmeausdehnung!« rief Gabriel noch immer erregt, als ob er es sich selbst bestätigen wollte. »Quecksilber hat einen hohen Ausdehnungskoeffizient. Das Innere des Altars muss sich irgendwie stark erhitzt haben.«
    Alina sagte nichts. Sie bückte sich zur Mitte des Altars und nahm den Kelch vorsichtig an sich. Dann entfernte sie die runde Platte mit dem Sonnenhalbmondgesicht von der Öffnung des Kelches und legte sie auf das Loch im Zentrum zurück.
    »Dein antikes Familienerbe hätten wir ja jetzt gefunden«, sagte Alina, ihre innerliche Ergriffenheit verbergend.
    »Was ist, glaubst du mir etwa nicht? Das mit dem Kelch ist doch reine Wärmeausdehnung . Bei Gasen steigt der Druck mit zunehmender Temperatur. Wenn der Druck konstant bleiben soll, muss sich das Volumen vergrößern. Ein mit Gas gefüllter Beutel würde genügen, um den Kelch aus diesem Loch emporzuheben.«
    »Hör zu Gabriel, spar dir deine Erklärungen oder behalte sie für dich. Es geht hier um etwas anderes als die Veranschaulichung physikalischer Grundsätze, die heute jeder kennt!«
     
    Das Geräusch, das den ganzen Vorgang begleitet hatte, war jetzt schwächer geworden und auch das Quecksilber zog sich langsam in den Altar zurück. Gabriel stand noch immer staunend da, während Alina schon nach dem Ausgang zu suchen begann.
    » Wärmeschrumpfung «, sagte Gabriel wie zu sich selbst und sah zu, wie das Quecksilber wieder aus dem Kreis verschwand.
    »Hier, der Eingang zu einer weiteren Höhle!«, rief Alina in die wieder eingetretene Stille. Die tiefe Ruhe, die sich jetzt, nachdem auch das letzte leise Summen des Altars verklungen war, wieder ausbreitete, unterstrich den überwältigenden Eindruck dieses heiligen Ortes. Zögernd und etwas widerwillig löste sich Gabriel von seinen Empfindungen.
    »Ich komme ja schon. Worauf wartest du denn, Alina? Geh doch schon mal voraus.«
    »Also wirklich! Warum muss ich immer die Erste sein«, protestierte sie

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