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Wächter

Wächter

Titel: Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baxter Clarke
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dürften auch keine brauchen, sofern nicht alles schiefgeht.«
    »Und falls doch?«
    Er schaute sie an, als ob er ihre Nervenstärke einschätzen wollte. »Der zweitschlimmste Fall ist, dass wir am Kabel festhängen. Es gibt aber eine ganze Reihe von Schutzmechanismen, um unser Überleben zu sichern, bis Rettung in Form einer anderen Spinne kommt. Und selbst wenn ein Druckverlust eintritt, haben wir immer noch Überlebenskapseln. Die sogenannten Hamsterkugeln. Sind zwar nicht komfortabel, aber praktisch.«
    Hamsterkugeln? Bisesa hoffte inständig, dass es so weit nicht kommen würde. »Und der schlimmste Fall?«
    »Dass wir uns vom Band lösen. Sie müssen bedenken, dass der Aufzug sich an einer ganz bestimmten Stelle im geosynchronen Orbit befindet, in dem man die Erde in exakt vierundzwanzig Stunden umkreist. Streng genommen befindet man sich nur in dieser Höhe im Orbit. Unterhalb dieses Punkts bewegen wir uns zu langsam für den Orbit und oberhalb zu schnell.«
    »Wenn die Spinne also den Halt verliert …«
    »Fallen wir unterhalb des geosynchronen Orbits zur Erde zurück.« Er klopfte auf die transparente Hülle. »Man sieht es ihr zwar nicht an, aber sie ist dafür ausgelegt, einen Wiedereintritt in die Atmosphäre mit geringer Geschwindigkeit zu überleben.«

    »Und nach dem geosynchronen Punkt? Würden wir von der Erde wegfallen, nicht wahr?«
    Er blinzelte. »Zumindest in der Theorie. Aber machen Sie sich keine Sorgen deswegen.« Er hielt eine Flasche hoch. »Möchte jemand Kaffee?«
    Myra grunzte. »Vielleicht sollten wir erst mal unsere fabelhafte Toilette in Betrieb nehmen.«
    »Gute Idee.«
    Während sie mit der Toilette zugange waren, schaute Bisesa aus dem Fenster.
    Beim lautlosen Aufstieg in den Himmel hatten sie bereits hundert Kilometer zurückgelegt - diese Höhe hatte nicht einmal das erste Raketenflugzeug der Welt, die X-15, erreicht. Der Himmel über ihr hatte sich bereits schwarz verfärbt, und im Zenit standen ein paar blinkende Sterne, die das Band wie ein Pfeil anvisierte. Wenn sie nach oben schaute, vermochte sie keine Anzeichen von irgendwelchen Anlagen weiter oben am Band zu erkennen, keine Anzeichen von der Masse des Gegengewichts, von dem sie wusste, dass es sich am Ende des Bands befinden musste. Nichts außer den funkelnden Perlen der anderen Spinnen, die an diesem Faden den Himmel erklommen. Sie sagte sich, dass sie die Dimension des Aufzugs nicht einmal annähernd erfasst hatte.
    Nach anderthalb Stunden war die ursprüngliche Dynamik des Aufstiegs abgeflaut. In einer Höhe von etwa dreihundert Kilometern vermochte sie bereits die gesamte Erdkrümmung zu sehen, und das Band erstreckte sich wie ein Pfeil bis zu den vertrauten Konturen des amerikanischen Kontinents tief unter ihr. Obwohl die Sterne sie bei diesem außergewöhnlichen Aufstieg umkreisten, würde die Erde doch fest an ihrem Platz bleiben, wurde sie sich bewusst. Es war, als ob sie in ein mittelalterliches Universum verschlagen worden wäre, in den Kosmos von Dante, in dem eine unbewegliche Erde von Sternen umkreist wurde.
    Als sie aufstand, verspürte sie ein eigenartiges Gefühl der Leichtigkeit. Auf einer von Alexejs Softscreens wurde gezeigt,
wie die Schwerkraft mit zunehmender Entfernung von der Masse der Erde schwächer wurde. Sie war bereits um einige Prozentpunkte gegenüber dem Niveau auf Meereshöhe abgefallen.
    Der lautlose geradlinige Aufstieg, die zurückfallende Erde, das helle Band, das sie führte, die unmerkliche Gewichtsreduzierung: Das alles war ein magisches Erlebnis und mutete so unwirklich an wie eine Himmelfahrt.
    Zwei Stunden nach dem »Start« veränderte das Band sich wieder und verbreiterte sich zu einer gekrümmten Bahn mit der doppelten Breite der Normalgröße; aber es war noch immer nur zwei Meter breit und zeigte nun eine leichte Wölbung.
    »Weshalb diese zusätzliche Verdickung?«, fragte Bisesa.
    »Weltraumschrott«, sagte Alexej. »Zum Beispiel Teile von alten Raumfahrzeugen. Brocken von gefrorenem Astronauten-Urin. Solches Zeug eben. Die kritische Höhe in dieser Hinsicht beträgt zwischen fünf-und siebenhundert Kilometern. Also wurde das Band für den Fall eines Einschlags etwas verstärkt.«
    »Und wenn wir von irgendetwas getroffen werden …«
    »Jedes Objekt, das groß genug wäre, um das Band zu durchtrennen, wird überwacht, und wir räumen den ganzen Schrott mit der Transportplattform auf der Erde aus dem Weg. Und alle kleineren Objekte würden das Band zwar perforieren, aber

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