Wächter

Titel: Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baxter Clarke

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war.
    »Sind Sie ein Spacer ?«, fragte Bisesa.
    »Eigentlich nicht. Ich bin zwar auf der Erde geboren, habe aber den größten Teil meines Lebens im Weltraum verbracht. Ich bin wohl an Umgebungen gewöhnt, die man kontrollieren kann. Draußen in ›freier Wildbahn‹ fühle ich mich ein wenig - exponiert.« Er hob die Hand und schälte die Tätowierung vom Gesicht ab.
    Bisesa berührte ihre Wange auch und merkte, dass ihre Tätowierung sich so leicht wie eine Wachsschicht ablöste. Sie steckte das Ding in eine Tasche ihres Anzuges.
    Alexej empfahl ihnen, sich hinzusetzen. Bisesa klappte einen Sitz heraus und zog einen schmalen Sicherheitsgurt aus Kunststoff aus der Wand, den sie sich um die Hüfte schnallte. Myra folgte ihrem Beispiel; sie hatte einen besorgten Gesichtsausdruck.
    Die Spinnen vor ihnen in der Kolonne bewegten sich nun nach oben und gaben den Blick auf das Band frei: eine vertikale, schnurgerade Linie aus Silber.

    »Nun geschieht Folgendes«, sagte Alexej. »Unsere Spinne klinkt sich mit dem Seilzug über unseren Köpfen in das Band ein. Soweit alles klar? Sobald die Zugwirkung des Bandes einsetzt, steigt die Spinne. Sie werden eine leichte Beschleunigung feststellen.«
    »Wie viel genau?«, fragte Bisesa.
    »Nur ein halbes Ge oder so. Und auch nur für ungefähr zehn Sekunden. Wenn wir dann die Höchstgeschwindigkeit erreicht haben, steigen wir, ohne dass man überhaupt etwas merkt.«
    »Und wie hoch ist die Höchstgeschwindigkeit?«
    »Etwa 200 km/h. Aber das Band ist für die doppelte Geschwindigkeit ausgelegt. Ich habe die Tempodrosselung deaktiviert, falls wir die zulässige Höchstgeschwindigkeit fahren müssen.«
    »Wollen wir hoffen, dass das nicht nötig ist«, sagte Bisesa trocken.
    Myra streckte die Hand aus und nahm die Hand ihrer Mutter. »Erinnerst du dich noch an die Einweihung des australischen Aufzugs? Das war direkt nach dem Sonnensturm; ich muss damals achtzehn gewesen sein. Aus diesem Anlass hatte ich auch Eugene wiedergesehen. Und nun gibt es auf der ganzen Welt solche Aufzüge.«
    »Das war schon ein besonderer Tag. Genauso wie dieser.«
    Myra drückte ihre Hand. »Freust du dich denn, dass ich dich aufgeweckt habe?«
    »Darüber muss ich mir erst noch ein Urteil bilden.« Aber ihr Grinsen strafte sie Lügen. Wer hätte sich eine solche Gelegenheit schon entgehen lassen?
    Man sah Alexej an, dass er sich auf dieses Zwischenspiel keinen Reim zu machen vermochte.
    Sie rollten weiter auf das Band zu. Über ihnen entfaltete der Seilzug sich mit einem dumpfen Klirren. Das Band war wirklich schmal, nicht mehr als vier oder fünf Meter breit. Es schien ein Ding der Unmöglichkeit, dass es das Gewicht
dieses Fahrzeugs zu tragen vermochte, ganz zu schweigen von Hunderten - Tausenden? - weiterer Fahrzeuge. Doch die Spinne kroch ohne zu zögern weiter.
    Die Seilzugvorrichtung neigte sich nach oben, schloss sich ums Band und mit einem Ruck, der einem Schlag in die Magengrube glich, sprang die Spinne in den Himmel.

{11}
DAS BAND
    Im nächsten Moment hatten sie die Spinnen-Plattform unter sich gelassen und hingen im hellen Sonnenlicht. Bisesa schaute nach oben und sah das Band im wolkenlosen Himmel wie ein Pfeil in der Unendlichkeit verschwinden - und die anderen Spinnen, die schimmernden Perlen gleich mit ihr ins Unbekannte emporgezogen wurden.
    Und als sie nach unten schaute, vorbei an den aus der Spinne ragenden Solarzellen, sah sie die Welt unter sich wegfallen, und es eröffnete sich ihr ein grandioser Panoramablick auf das Cape. Sie beschirmte die Augen vor der Sonne. Da waren die Startrampen und Holzhäuser und die schnurgeraden Straßen, die von Generationen von Astronauten befahren worden waren. Irgendein Weltraum-Flugzeug stand auf einer Startbahn. Es sah aus wie eine schwarzweiße Motte. Und etwas davon entfernt ragte eine weiße Nadel neben einem verrosteten Startturm auf. Das musste eine Saturn V sein, die wahrscheinlich einen Nachbau von Apollo 10 trug, dem nächsten Vorläufer der jahrhundertealten Mondlandungen. Aber sie war schon höher gestiegen als die Nadelspitze der Saturn , auch schon höher als die Astronauten geklettert waren, wenn sie über den Startturm ihre Mondschiffe bestiegen.
    Der Aufstieg erfolgte schnell und mit gleichbleibender Beschleunigung. Bald vermochte sie den Strand auf einer Länge von mehreren Kilometern zu überblicken. Canaveral schien eher aus Wasser als aus Land zu bestehen und mutete wie ein Klecks aus Erde auf der silbernen Oberfläche des