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Wächter

Wächter

Titel: Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baxter Clarke
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es verfügt über eine Selbstreparatur-Fähigkeit. Problematisch wäre es nur dann, wenn wir das Pech hätten, seitlich von einem kleinen Objekt getroffen zu werden, und zwar so stark, dass die Kante des Bands einreißt.«
    »Aus diesem Grund ist das Band auch gekrümmt«, vermutete Bisesa.
    »Ja. So kann es nicht durchtrennt werden. Machen Sie sich also keine Sorgen.«
    Myra schaute nach oben und sagte: »Ich glaube, ich sehe eine andere Spinne. Auf der anderen Seite des Bandes, von uns aus gesehen. Ich glaube - Wahnsinn.«

    Die entgegenkommende Spinne stürzte sich aus dem Himmel auf sie und raste nur einen halben Meter entfernt an ihnen vorbei. Sie alle zuckten zusammen. Und Bisesa wurde plötzlich an ihre enorme Geschwindigkeit erinnert.
    »Ein Bauarbeiter«, sagte Alexej - mit einer Schnelligkeit, die seine demonstrative Gelassenheit Lügen strafte. »Er fährt am Band entlang und verstärkt den Rand um ein paar zusätzliche Zentimeter.«
    »Woraus besteht das Band überhaupt?«, fragte Bisesa.
    »Aus Fulleren. Nanoröhrchen aus Kohlenstoff. Winzige Zylinder aus Kohlenstoffatomen, die zu einem Strang geflochten sind. Unglaublich stark. Das ganze Band steht unter Spannung, weil die Erdrotation nämlich versucht, das Gegengewicht wegzuschleudern wie ein Kind, das einen Stein an einer Schnur schwingt. Kein herkömmliches Material würde dieser Belastung standhalten. Deshalb fahren die Spinnen auf und ab, bringen zusätzliche Streifen an und befestigen das Ganze dann mit Klebeband.«
    Mechanische Spinnen, die unablässig ein Netz im Himmel flochten.
    Sie setzten den Aufstieg schweigend fort, denn den beiden schien es die Sprache verschlagen zu haben.
    »Kommt schon. Wir haben die Erde verlassen. Jetzt könnt ihr mir auch sagen, was los ist. Weshalb bin ich hier, Myra?«
    Die beiden zögerten. »Mama, das ist nicht so einfach«, sagte Myra schließlich. »Zum einen hört die ganze Welt mit.«
    »Die Hülle ist intelligent.« Alexej beschrieb eine kreisförmige Bewegung mit dem Finger. »Rundumüberwachung.«
    »Ach so.«
    »Und da gäbe es noch einen Grund«, sagte Myra, »den du aber schon kennst .«
    »Glauben Sie mir«, sagte Alexej, »wir werden noch viel Zeit zum Reden haben, Bisesa. Wenn wir nämlich den AbwurfPunkt erreichen, ist das erst der Anfang der Reise.«

    »Eine Reise wohin? Nein, die Antwort können Sie sich schenken.«
    Bisesa hätte sich über die Gelegenheit gefreut, sich mit Myra zu unterhalten - nicht etwa über streng geheime Vorgänge und das Schicksal des Sonnensystems, sondern über ganz persönliche Dinge. Myra hatte ihr nämlich kaum etwas von ihrem Leben erzählt, seit Bisesa sich in das Hibernaculum gelegt hatte. Doch diese Gelegenheit schien sich vorerst nicht zu ergeben. Myra machte überhaupt einen reservierten Eindruck, und der Umstand, dass Alexej sich diese kleine Kapsel mit ihnen teilte, verstärkte diese Zurückhaltung nur noch.
    Bisesa wurde langsam müde. Gesicht und Hände waren kalt, sie verspürte durch den Kaffee eine wohlige Wärme im Bauch und das Bewusstsein wurde durch den kontinuierlichen Aufstieg in eine Art Trance versetzt. Sie zupfte an den Handschuhen, die sie in ihren Taschen fand. Sie legte Decken aus dem Koffer auf den Boden, legte sich hin und zog eine über sich. Sie hörte nichts und hatte auch kein Gefühl von Bewegung; sie hätte genauso gut reglos über der langsam zurückfallenden Erde hängen können. Sie schaute zum Band auf und folgte seinem Verlauf, bis es sich in der Dunkelheit verlor.
    Es erfolgte wieder ein Übergang, als das Band sich vom Gold zum ursprünglichen Silber zurückverwandelte. Und später wurde es auch wieder schmaler. Acht Stunden, nachdem sie die Erde verlassen hatte, befanden sie sich in einer Höhe von 1700 km und waren damit schon höher als alle Satelliten, die die Menschheit je ins All geschickt hatte.
    Bisesa war sich all dessen vage bewusst. Die meiste Zeit döste sie aber nur vor sich hin.
     
    Sie wurde durch einen Ruck aufgeweckt, einen kurzen Schub der Beschleunigung, der sie in die Decken drückte.
    Sie setzte sich auf. Alexej und Myra saßen auf ihren Klappsitzen. Myra machte große Augen, doch Alexej wirkte gefasst. Alexejs Softscreen an der Wand blinkte rot.

    Sie waren bereits seit dreizehn Stunden unterwegs und hatten inzwischen eine Höhe von mehr als 2600 km erreicht. Als Bisesa sich bewegte, hatte sie das Gefühl, in der Luft zu schweben. Die Schwerkraft betrug nur noch die Hälfte des Meeresspiegel-Niveaus. Die

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