Wächter
Erde war zu einer Kugel am Ende eines silbernen Seils geschrumpft.
Trotz ihrer eigenen hohen Geschwindigkeit rasten andere Spinnen an ihnen vorbei und überholten sie.
»Wir haben beschleunigt, nicht? Gibt es denn ein Problem?«
»Wir werden verfolgt«, sagte Alexej. »Damit war aber zu rechnen. Ich meine, sie wissen, dass wir hier sind.«
»Verfolgt?« Bisesa hatte das hässliche Bild einer Rakete, die von einer verlassenen Startrampe in Canaveral aufstieg, vor dem geistigen Auge. Aber das ergab keinen Sinn. »Sie werden doch nicht riskieren, das Band zu beschädigen.«
»Sie haben schon recht«, sagte Alexej. »Das Band ist viel wertvoller als wir. Genauso wenig ist ihnen daran gelegen, den Strom der Spinnen zu unterbrechen. Sie könnten das natürlich tun und uns den Weg verlegen. Aber es wird Fracht im Wert von Milliarden auf dieser Strecke transportiert.«
»Was dann?«
»Sie haben Super-Spinnen. Geräte, die eine noch höhere Geschwindigkeit erreichen. Es würde zwar ein paar Tage dauern, aber die Super-Spinne würde uns einholen.«
Myra ließ sich das durch den Kopf gehen. »Wie kommt sie aber an all den anderen Spinnen vorbei?«
»Genauso wie wir. Die anderen müssen ausweichen. Wir steigen nun mit der Steigrate der Super-Spinne - dem Doppelten unserer nominellen Steigrate. Ich habe uns nämlich als Sklave mit der Super-Spinne verkoppelt, sodass wir ihren Aufstieg emulieren. Sie kann uns also gar nicht einholen. Sobald den Behörden auf der Erde das auch dämmert, werden sie aufgeben.«
»Das Doppelte der nominellen Rate. Ist das nicht gefährlich?«
»Diese Systeme sind für die Beförderung von Menschen zugelassen; sie verfügen also über hohe Sicherheitstoleranzen.« Er selbst klang allerdings auch nicht sehr überzeugt.
Es dauerte nur ein paar Minuten, bis die Softscreen leise klingelte und grün aufleuchtete. Alexej lächelte. »Sie haben die Nachricht erhalten. Wir können abbremsen. Halten Sie sich irgendwo fest.«
Bisesa klammerte sich an einen Handlauf.
Sie verlangsamten für ein paar Sekunden. Es war ein unangenehmes Gefühl. Decken schwebten vom Boden empor, und die chemische Toilette versuchte mit surrenden Saugpumpen, den Inhalt daran zu hindern, sich in der Luft zu verteilen. Myra schien Übelkeit zu verspüren, und Bisesa spürte auch, wie sich ihr der Magen umdrehte.
Aber der Schirm blinkte wieder rot. »Auweia«, sagte Alexej. »Was ist denn jetzt schon wieder los?«, fragte Bisesa.
Er bearbeitete die Softscreen. »Wir steigen nicht so, wie wir sollten.«
»Ein Defekt der Spinne?«
»Nein. Das Band wird aufgewickelt.«
»Es wird aufgewickelt?« Plötzlich betrachtete Bisesa die Spinne als einen Fisch, der an einer unglaublich langen Leine hing.
»Das erfordert zwar einen sehr hohen Aufwand, aber es ist machbar. Das Band besteht aus einem ziemlich feinen Material.«
»Und was sollen wir nun tun?«
»Sie sollten vielleicht die Augen schließen. Und sich wieder irgendwo festhalten.« Er tippte auf die Softscreen, und Bisesa hatte den Eindruck, dass etwas sich von der Hülle löste.
Sie drückte die Augen ganz fest zu.
Ein Blitz zuckte auf, der sogar durch ihre Augenlider drang, und die Kabine schüttelte sich leicht.
»Eine Bombe«, sagte Bisesa. Sie war irgendwie enttäuscht. »Wie originell. Ich hätte doch mehr von Ihnen erwartet, Alexej.«
»Es war nur ein Warnschuss, ein Mikrofusionspuls. Er hat keinen Schaden angerichtet. Aber es war ein Wink mit dem Zaunpfahl für die Erde.«
»Sie wollten ihnen damit zu verstehen geben, dass Sie das Band zerstören werden, wenn sie uns nicht in Ruhe lassen.«
»Es wäre zumindest kein Problem. Es ist praktisch ein Ding der Unmöglichkeit, ein hunderttausend Kilometer langes, papierdünnes Band vor Sabotage zu schützen.«
»Käme dabei nicht jemand zu Schaden?«, fragte Bisesa.
»Jedenfalls nicht so, wie du glaubst, Mama«, sagte Myra. »Isolationistische Terroristen haben Modimo vor ein paar Jahren angegriffen.«
»Modimo?«
»Den Aufzug der Afrikanischen Allianz«, sagte Alexej. »Er wurde nach einem alten rhodesischen Himmelsgott benannt, glaube ich. Es ist aber niemand zu Schaden gekommen, und es würde auch jetzt niemand Schaden nehmen. Ich habe nur eine ökonomische Drohung signalisiert.« Dennoch warf er unsicher einen Blick auf die Softscreen.
»Und wenn man auf Ihren Bluff nicht hereinfällt?«, fragte Bisesa scharf. »Würden Sie dann Ernst machen?«
»Ich glaube nicht. Aber sie können es sich nicht
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