Wächterin der Dunkelheit: Roman (German Edition)
er mit den Fingern mit ihrem Haar spielte. Die Zeit raste dahin; so schnell, dass sie nicht wusste, wo ihr der Kopf stand.
Am liebsten hätte sie laut geschrien, sie möge stehen bleiben. Sie sehnte sich danach, Alexion die ganze Nacht in den Armen zu halten und den nächsten Tag und den Tag danach.
Aber das würde nicht passieren.
Ich werde nicht weinen. Auf keinen Fall.
Das wäre nicht fair. Weder ihm gegenüber noch ihr selbst. Doch insgeheim vergoss sie verzweifelte Tränen. Sie fühlte sich, als wäre sie in Stücke gerissen worden. Wie sollte sie diese Nacht nur überstehen?
Wie sollte sie vom Besten, was ihr je widerfahren war, Abschied nehmen?
Wie machten es andere, die den Menschen zurückließen, den sie liebten?
Doch sie kannte die Antwort auf diese Frage bereits. In der Vergangenheit war sie so oft gezwungen gewesen, geliebte Menschen zurückzulassen, dass sie sich nur fragen konnte, weshalb sie sich je gestattet hatte, jemandem ihr Herz zu schenken.
Andererseits war es völlig ausgeschlossen, einen Mann wie Alexion nicht zu lieben.
Sie hörte die Standuhr auf dem Korridor zehn Uhr schlagen.
»Wir müssen gehen«, sagte Alexion mit belegter, rauer Stimme.
»Ich weiß.«
Widerstrebend löste sie sich von ihm und zwang sich, ihre Gedanken auf andere Dinge zu lenken.
Keiner von ihnen sprach, als sie duschten und sich anzogen.
Was hätten sie auch sagen sollen? Schlimmer noch – sie hatte Angst, jedes Wort von ihm oder ihr selbst könnte sie augenblicklich in Tränen ausbrechen lassen. Es war einfacher, die Fassung zu bewahren, wenn sie schwiegen.
Sie konnte ihm noch nicht einmal sagen, dass sie ihn niemals vergessen würde. Und das tat am allermeisten weh.
»Ich will nicht vergessen …«
Erst als Alexion sie in die Arme nahm, wurde ihr bewusst, dass sie ihre Gedanken laut ausgesprochen hatte. »Es ist besser, wenn du es tust. Ich könnte dich nicht in dem Wissen zurücklassen, dass du meinetwegen leidest. Das Einzige, was es für mich erträglich macht, ist die Gewissheit, dass dein Leben morgen wieder genauso sein wird wie zuvor.«
Eine Träne löste sich und lief ihr über die Wange. »Es tut mir leid«, sagte sie und wischte sie eilig fort. Aber es war zu spät. Diese eine Träne löste eine wahre Flut aus, und ihr Körper wurde von heftigem Schluchzen geschüttelt.
Die Vorstellung, dass sie sich schon bald nicht einmal mehr daran erinnern würde, dass er existierte, brach ihr das Herz. Die Erinnerung an seine Berührung, für immer fort … ebenso wie die Erinnerung an seinen Geruch.
Gott, wie liebte sie den Duft seiner Haut. Die Zärtlichkeit, mit der er über ihre Wange strich. Das Gefühl, unter ihm zu liegen …
Wie sollte sie nur ohne ihn weiterleben?
»Verlass mich nicht.« Ihre Stimme brach.
Alexion schloss die Augen, als auch er spürte, wie ihm die Tränen in die Augen schossen. Hätte er einen Wunsch frei gehabt …
Doch selbst alle Wünsche auf dieser Welt konnten ihn nicht wieder menschlich machen, so dass sie für immer zusammen sein konnten.
»Ich werde dich nicht verlassen, Danger. Ich werde immer für dich da sein, wenn du mich brauchst.«
Sie hob den Kopf. In ihren Augen lag ein Schmerz, der sich tief in sein Herz schnitt. »Aber ich werde dich nicht sehen können.«
»Nein, das nicht, aber ich werde dich niemals allein lassen. Das schwöre ich.«
Danger schlang die Arme noch fester um ihn. Sie wusste nicht, wer von ihnen schlimmer dran war – derjenige, der keinerlei Erinnerung an ihre Begegnung hatte, oder der, der sie hatte, aber nicht darüber sprechen konnte.
Sie wollte nicht, dass diese Nacht endete. Unfähig, dem Druck noch länger standzuhalten, zog sie ihn zu sich herab, um ein letztes Mal seinen Geschmack auf ihren Lippen zu spüren, seinen warmen maskulinen Duft einzuatmen und sich davon umhüllen und forttragen zu lassen.
Nicht einmal die Liebe vermochte sie zu retten. Nichts konnte sie retten.
»Ich liebe dich, Alexion. Ich liebe dich, Ias. Mit allem, was ich bin und was ich fühle.«
» Je t’aime pour toujours.«
»Moi aussi.«
Und dann tat sie das Schwerste, was sie je in ihrem Leben hatte tun müssen.
Sie ließ ihn los und trat zurück, obwohl jede einzelne Faser ihres Seins danach schrie, ihn für immer in den Armen zu halten.
Unfähig, ihn noch eine Sekunde länger anzusehen, ohne vollends zu zerbrechen, holte sie tief Luft, wischte sich die Tränen ab und ging in Richtung Garage.
Alexion stieß einen Fluch aus. Ich bin
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