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Wächterin der Träume

Wächterin der Träume

Titel: Wächterin der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Smith
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zu deiner Verfügung.«
    Und ob ich es ertragen konnte! »Klingt gut.« Ein schöner Abend mit Noah würde mir Mut machen. Schließlich musste ich heute Nacht vor der Obersten Wächterin erscheinen.
    Er küsste mich noch einmal kurz und hart und öffnete dann die Badezimmertür. Ich folgte ihm.
    »Mandy«, sagte Noah leise. »Dawn ist hier.«
    Im Geiste hörte ich den Song
Mandy
von Barry Manilow. Offensichtlich beherbergte ich ein ganzes Archiv an Popsongs in meinem Kopf. Amandas Wimpern flatterten, dann schlug sie das gesunde Auge auf. Die Ärzte hatten ihr ein Schlafmittel verabreicht. Ob sie wohl geträumt hatte? Je eher sie sich ihren Träumen stellte, desto schneller würde sie wieder gesund werden.
    »Dawn«, krächzte sie. »Hallo.« Ihre Stimme klang immer noch schwach und heiser.
    Ich zwang mich zu einem Lächeln. »Hallo, Amanda. Hast du Lust auf ein bisschen Gesellschaft?«
    Obwohl sie nur vorsichtig mit den Schultern zuckte, verzog sich ihr Gesicht vor Schmerz. Ich konnte mir das, was sie durchmachen musste, einfach nicht vorstellen. »Sicher.« Ihr Blick wanderte zu Noah.
    »Ich gehe mir mal einen Kaffee holen«, sagte er. »Bevor deine Mom kommt, bin ich zurück.«
    Ich versuchte, so gelassen wie möglich zu wirken. Er ließ mich allein? Hier, mit seiner traumatisierten Exfrau? Brauchte er das Koffein so dringend, oder hatte ich mich, ohne es zu wissen, als Therapeutin für eine Frau engagieren lassen, die meine Hilfe nicht wollte?
    Jedenfalls war ich ein bisschen genervt und warf ihm einen entsprechenden Blick zu, den er weniger zerknirscht als vielmehr entschlossen erwiderte. Irgendwie fand ich es ja rührend, wie er sich um Amanda kümmerte, aber mit seinem derzeitigen Vorgehen war ich absolut nicht einverstanden.
    Noahs Exfrau griff nach seiner Hand und drückte sie kurz. »Danke«, sagte sie.
    Er beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie auf die Stirn, eine liebe, ja beinahe zu liebe Geste.
    Als er fort war, trat ich unsicher ein Stück näher ans Bett. »Soll ich dir irgendetwas bringen?«
    Sie schüttelte den Kopf und hob den linken Arm. »Essen tut weh, pinkeln tut weh …« Sie lachte freudlos. Ich musste schlucken. Das Pinkeln tat ihr weh? Mein Gott.
    Dann blickte sie mich an. »Weißt du, du bist die Erste, die mich nicht fragt, wie es mir geht.« Es schien sie nicht zu stören.
    »Das ist doch wohl ziemlich offensichtlich.«
    Ihre geschwollenen Lippen verzogen sich zu einem angedeuteten Lächeln. »Noah lässt mich nicht in den Spiegel schauen.«
    Ich bemühte mich, meine Verwunderung zu verbergen. Ob ich der gleichen Meinung war wie Noah, spielte keine Rolle. Er tat, was er für richtig hielt, aber es half Amanda nicht, wenn man ihr noch länger die Verantwortung für sich selbst abnahm. »Willst du es wirklich sehen?«, fragte ich.
    »Ja.«
    Ich kramte aus der Handtasche meine Puderdose hervor und reichte sie Amanda. »Denselben benutze ich auch.« Derart belanglose Bemerkungen hatte ich in meinem Beruf schon des Öfteren in schwierigen Momenten gehört.
    »Ich find den ganz gut«, erwiderte ich gelassen und versuchte, nicht die Luft anzuhalten, als sie den Spiegel so hielt, dass sie mit ihrem gesunden Auge hineinschauen konnte.
    Während sie schweigend ihre Verletzungen musterte, beobachtete ich ihr Gesicht. Amanda starrte auf ihr Spiegelbild, als sehe sie eine Fremde.
    »Es ist nicht so schlimm, wie ich dachte«, sagte sie schließlich und gab mir die Puderdose zurück. »Gut zu wissen, dass ich besser aussehe, als ich mich fühle.«
    Ich steckte den Puder wieder ein und stellte meine Handtasche aus weichem Leder auf den Stuhl, auf dem Noah bei meiner Ankunft gesessen hatte. »Möchtest du darüber sprechen?«
    Sie schüttelte den Kopf. Ich fühlte mich ein wenig unwohl, weil sie mich mit ihrem gesunden Auge eindringlich ansah. »Nein, eigentlich nicht.«
    »Gut.« Ich war erleichtert. Ich wollte nicht ihre Therapeutin sein, und ich wusste nicht, ob wir jemals Freundinnen werden konnten.
    Da sie vermutlich dachte, sie sei mir eine Erklärung schuldig, fügte sie hinzu: »Ich will dein Mitleid nicht.«
    »Ich bemitleide dich auch gar nicht.«
    Der Blick ihres Auges durchbohrte mich förmlich. »Das kann ich mir denken, nach dem, was ich Noah angetan habe.«
    »Noah hat nichts damit zu tun«, erwiderte ich. »Ich empfinde Mitgefühl für dich, und ich hoffe wirklich, dass du wieder ganz gesund wirst.«
    Sie schwieg für einen Augenblick. Vielleicht sortierte sie ihre Gedanken? War sie

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