Wächterin der Träume
heilen würden. Das tat ich nicht nur, um Noah wieder für mich zu haben. Ich tat es auch, weil ich das Gesicht des Täters sehen und verhindern wollte, dass der Mistkerl noch einmal zuschlug.
Jetzt begann Amanda so heftig zu weinen, dass es mir fast das Herz zerriss. Als sie sich vorbeugte und die Arme nach mir ausstreckte, umarmte ich sie, ohne zu zögern. Sie brauchte das jetzt, und ich, ehrlich gesagt, auch.
Ich legte ihr einen Arm um die Schultern und lehnte meine Wange behutsam an ihren Kopf.
Als ich die zitternde Frau in den Armen hielt, kamen auch mir die Tränen. Ich spürte, wie ihr zerbrechlicher Körper von einem Weinkrampf geschüttelt wurde und ihre Tränen meine Bluse an der Schulter durchfeuchteten. Es war mir egal.
Da hörte ich ein leises Geräusch und blickte auf. Noah stand in der Tür und hielt einen Pappbecher mit Kaffee in der Hand. Er war für mich, das wusste ich. Und plötzlich wurde mir klar, dass dieses Mal nicht ich der Außenseiter in unserer kleinen Dreiecksbeziehung war, sondern er.
[home]
Kapitel vier
W ie gewöhnlich sprachen Noah und ich auf dem Weg in seine Wohnung nicht viel. Vielleicht lag es daran, dass unsere Themen so persönlich waren und wir nicht wollten, dass jemand unser Gespräch mit anhörte. Möglicherweise nutzten wir die Zeit im Taxi aber auch einfach dazu, unsere Gedanken zu ordnen. Zumindest tat ich das.
Als wir in Noahs Wohnung angekommen waren, ergriff er das Wort.
»Wird sie wieder gesund?«, fragte er auf dem Weg in die Küche.
»Ich glaube schon.«
Darüber schien er erleichtert. Wie es sich wohl anfühlte, wenn man so verantwortungsbewusst war wie er? Ich würde für Amanda tun, was ich konnte, aber ich wollte zu allem Überfluss nicht auch noch eine emotionale Bindung zu ihr aufbauen.
Was Noah wohl noch für sie empfand?
Ich ließ es zu, dass er mich umarmte. Ich hasste meine Eifersucht. Lieber wollte ich mich zum Narren machen, als mein eigenes Misstrauen noch länger zu ertragen.
»Liebst du sie noch?«, fragte ich und blickte ihm mit nach hinten geneigtem Kopf ins Gesicht.
Noah trat überrascht einen Schritt zurück, ließ mich jedoch nicht los – ein gutes Zeichen. »Amanda?«
Ich nickte. »Bist du noch immer in sie verliebt?« Das traf die Sache besser, denn selbstverständlich liebte er sie noch aus alter Verbundenheit, sonst würde er sich wohl kaum solche Sorgen um sie machen.
Noah runzelte die Stirn. »Nein. Warum, um Himmels willen, fragst du?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Ich bin eifersüchtig.«
Das Stirnrunzeln wich einer so selbstzufriedenen, machohaften Miene, dass ich ihn am liebsten gekniffen hätte. »Mir gefällt die Vorstellung, dass du auch besitzergreifend sein kannst, Doc.«
Ich verdrehte die Augen. »Mir nicht. Und außerdem hast du meine Frage nicht beantwortet.« Nachdem ich gesehen hatte, wie er auf mein Geständnis reagierte, war ich schon ein wenig beruhigter.
»Amanda wird mir immer etwas bedeuten«, sagte er achselzuckend. So ungern ich das hörte, so sehr bewunderte ich ihn für seine Aufrichtigkeit. »Aber wenn ich sie lieben würde, wäre ich nicht hier bei dir.«
Sollte das etwa heißen, dass er mich liebte? Ihm diese Frage zu stellen, traute ich mich nicht, schließlich waren wir erst seit ein paar Wochen zusammen. Mein Herz hämmerte wie verrückt. Aber ich wollte ihn nicht fragen, warum er hier bei mir war, denn das hätte sich angehört, als brauchte ich ihn sehr. Das stimmte zwar auch, aber er musste es ja nicht unbedingt wissen.
Abgesehen davon war ich so aufgeregt, heute Nacht vor der Obersten Wächterin zu erscheinen, dass ich mich einfach nicht beruhigen konnte. Ich wollte nur, dass Noah mich in den Armen hielt und dafür sorgte, dass alles wieder gut würde.
Abermals runzelte er die Stirn, so dass sich seine geschwungenen schwarzen Augenbrauen auf seine ebenso dunklen Augen senkten. »Was ist denn los?«
Ich wollte ihn wirklich nicht mit meinen Problemen belasten. Ehrlich. Seufzend blickte ich ihn über die Schulter hinweg an, während ich zu dem Schrank ging, in dem er Speisekarten diverser Restaurants aufbewahrte. »Familienangelegenheiten. Nachtmahrangelegenheiten. Berufliche Angelegenheiten. Was immer du willst.« Ich versuchte zu grinsen. »Mir geht’s gut. Wirklich.«
Er ergriff meinen Arm. »Geht es um deine Mom?«, fragte er.
Ich wollte nicht, dass er das Gefühl hatte, sich auch noch um mich kümmern zu müssen, aber anlügen wollte ich ihn auch nicht. »Sie hat Angst,
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