Wächterin der Träume
beurteilen und dein Verhalten in der Vergangenheit erörtern. Wenn er zu dem Ergebnis kommt, dass du in guter Absicht gehandelt und unserem Reich keinen nachhaltigen Schaden zugefügt hast, wird man dich für unschuldig erklären und keine Strafe gegen dich verhängen.«
Na, das klang doch gar nicht so schlecht. Ich hatte nichts Falsches getan, also dürfte es auch keine weiteren Probleme geben. Warum zum Teufel hatte ich dann aber dieses blöde Bauchgefühl?
»Falls sich jedoch herausstellen sollte, dass du diesem Reich und allem, wofür es steht, mutwillig Schaden zufügen wolltest«, fuhr die rothaarige Hexe fort, »bleibt uns nichts anderes übrig, als dich zu verurteilen und eine Strafe gegen dich zu verhängen.«
»Be… Bestrafen?«, stotterte ich wie ein Kind in einer schlechten Sitcom. »Welche Art Strafe denn?« Warum war Morpheus auf einmal so blass? Schließlich war er hier der König, verdammt noch mal, und ich seine Tochter! Es war mir egal, ob es sich hochnäsig anhörte, aber ich war die Prinzessin dieses Reiches, und die schlimmste Strafe, die sie mir aufbrummen durften, war ja wohl nicht mehr als ein paar Tage ohne Kabelfernsehen.
»Die Gesetze dieser Welt zu verletzen ist Hochverrat. Und die Strafe für Hochverrat ist Auslöschung.«
Gott sei Dank ergriff Verek genau in diesem Augenblick meinen Arm, sonst wäre ich vor Schreck wohl umgefallen.
Ich steckte wirklich in Schwierigkeiten, denn im Traumreich war Auslöschung gleichbedeutend mit der Todesstrafe.
[home]
Kapitel fünf
N achdem ich mich einige Sekunden lang hilflos an Verek geklammert hatte, löste ich mich von ihm und versuchte mit Mühe zu verbergen, wie wackelig ich auf den Beinen war.
»Schäm dich, Padera. Du jagst dem armen Mädchen ja Angst ein«, ließ sich eine leise Stimme von der Seite vernehmen. War die Besorgnis ehrlich gemeint oder nur gönnerhaft? Wie alle anderen im Raum drehte ich mich zu der sanften Stimme um. Dabei bemerkte ich, wie ein erboster Ausdruck über das Gesicht der Obersten Wächterin huschte.
Die größte Frau, die ich je gesehen hatte, kam auf mich zu. Sie war mindestens zwei Meter groß, dürr wie ein Supermodel, hatte langes silbriges Haar, und ihre Haut schimmerte so hell wie ein Opal. Sie trug eine indigoblaue Robe, deren Saum ihre Füße wie mondbeschienene Wellen geschmeidig umspielte. Am Ansatz ihres langen Halses befand sich ein kleines Tattoo, das eine hübsch gezeichnete Spinne darstellte. Der Kopf des Tieres wies nach oben, während sich die Beine seitlich zu den zarten Schlüsselbeinen der Frau zu recken schienen.
Die Fremde blieb unmittelbar vor mir stehen. Ich musste das Kinn heben, um ihr ins Gesicht sehen zu können.
»Hallo, Dawn«, sagte sie etwas lauter als zuvor.
»Es tut mir leid, aber ich weiß nicht, wer du bist«, sagte ich unsicher.
Meine Bemerkung löste allgemeines Gemurmel aus, als hätten die Anwesenden nicht glauben können, was ich da gerade gesagt hatte.
Die Frau lächelte. »Ich bin Hadria, Priesterin der Ama.«
Ich hatte nicht einmal gewusst, dass die Große Spinne, Weberin der Träume, Priesterinnen hatte. Aber es erschien mir durchaus einleuchtend. »Ich gestehe, dass ich mich unter den gegebenen Umständen gerade nicht besonders freuen kann, dich kennenzulernen.« Wieder ertönte Stimmengemurmel, doch Hadria lachte nur und entblößte dabei ihre kräftigen Zähne, die genauso weiß wie alles andere an ihr schimmerten. Sie warf meinem Vater über meinen Kopf hinweg einen amüsierten Blick zu. »Sie ist genau so forsch wie du, Morpheus.«
Ich sah, dass mein Vater die Riesin anlächelte. »Wundert dich das?« Er stand auf und kam näher. »Meine alte Freundin, warum bist du hier?«
Freundin. Na gut, dann war sie vielleicht doch nicht so schrecklich. Hadrias Augen richteten sich erneut auf mich. Ich hatte keine Angst mehr vor ihr. »Ich bin hier, um herauszufinden, welche Fähigkeiten deine Tochter besitzt.«
»Das tut Verek schon«, meldete ich mich zu Wort. »Er ist mein Trainer.« Ich wollte Verek nicht verlieren. Abgesehen von meinem Vater war er der Einzige, dem ich vertrauen konnte.
Hadria legte den Kopf schief. »Ich will dir deinen Trainer nicht fortnehmen, Prinzessin. Ich bin auch nicht hier, um dich zu verurteilen, sondern um deine Kräfte einzuschätzen.«
Mein Körper versteifte sich. »Weil ich eine Bedrohung bin?«
Sie lächelte geduldig. »Denkst du denn, dass du eine Bedrohung bist?«
O Mann, nach Psychospielchen war mir beim besten
Weitere Kostenlose Bücher