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Wächterin der Träume

Wächterin der Träume

Titel: Wächterin der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Smith
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du?«
    Ich wagte einen raschen Blick. Er stand still wie eine Statue und runzelte die Stirn. »In gewisser Weise«, erwiderte ich.
    Im Nu war er neben mir und legte seine Hand auf meine, so dass ich nicht weiterrühren konnte. »Am besten du erzählst mir alles.
Jetzt gleich.
«
    Nach einem tiefen Atemzug drehte ich mich zu ihm um. »Ich habe ihn nicht verletzt. Ich habe nichts getan, wofür mich der Rat zur Rechenschaft ziehen könnte.«
    Noah schloss die Augen und holte tief Luft. Als er die Augen wieder öffnete, wirkte er ruhig und gelassen. »Was hast du getan, Doc?« Wenn er mich bei meinem Spitznamen nannte, konnte er nicht allzu böse mit mir sein.
    »Ich drang in seinen Traum ein und überredete ihn sozusagen, sich zu stellen.«
    Noah presste die Kiefer zusammen. »Weiter.«
    »Ich gab mich als seine Mutter aus und überzeugte ihn davon, dass er ein Geständnis ablegen müsse.«
    Er starrte mich an. »Du hast ihn zu einem Geständnis überredet, indem du so tatest, als wärst du seine Mutter?«
    Ich musste zugeben, dass das reichlich unwahrscheinlich klang. »Na ja, irgendwie wurde ich sie – so wie er sie sah.«
    Wieder runzelte Noah die Stirn. »Du wurdest sie?«
    Ich seufzte. Ich brauchte dringend Kaffee und trank einen Schluck. Doch da ich sah, wie ungeduldig er war, wollte ich ihn nicht länger auf die Folter spannen. »Ich verwendete vorhandenes Traummaterial aus seinem Unterbewusstsein und verwandelte mich in ein vollkommenes Abbild seiner Mutter. Ich dachte sogar wie sie.« Bei dem Gedanken daran schauderte es mich.
    Als Noah das bemerkte, streckte er die Hand nach mir aus. »So etwas kannst du?« Und dann: »Geht’s dir gut?«
    Ich lehnte mich an ihn und schlang die Arme um seine Taille. »Ja. Sie war wirklich eine üble Person. Und ihr Sohn ist noch schlimmer.«
    Warme Hände rubbelten über meinen Rücken. »Bist du sicher, dass er gestehen wird?«
    Ich hob den Kopf und schenkte ihm ein schwaches Lächeln. »So sicher, wie sich eine Mutter ihres Sohnes sein kann.«
    Offenbar teilte er meinen schrägen Humor nicht. »Du bist ein großes Risiko eingegangen.«
    »Wenn es funktioniert, hat es sich gelohnt.«
    Als er mir nicht sofort zustimmte, kam ich mir dumm vor – als würde mir etwas fehlen.
    »Wie hast du ihn gefunden?« Seine Stimme klang eigenartig ausdruckslos und zögernd, und ich wusste, dass er sich auf die Antwort gefasst machte.
    Vor dieser Frage hatte ich mich gefürchtet, aber jetzt gab es kein Ausweichen mehr. Ich mochte ja ein Feigling sein, wenn es darum ging, mit Noah darüber zu reden, aber eine Lügnerin war ich nicht.
    »Ich habe ihn über das Traumreich aufgespürt«, erwiderte ich und nahm meinen Mut zusammen, um ihm die ganze Geschichte zu erzählen.
    Noah ließ mich los und trat zurück. Sein Gesichtsausdruck gefiel mir gar nicht. Er wirkte überrascht, verletzt und misstrauisch. »Ich dachte, das könntest du nur bei Leuten, denen du schon einmal begegnet bist.«
    Er hörte mir offenbar wirklich zu, wenn ich ihm von diesen Dingen berichtete. Es stimmte. Außer wenn es sich um ein Traumwesen handelte, musste ich dem Betreffenden schon persönlich begegnet sein, um ihn in seinen Träumen aufspüren zu können.
    »Er war auf dem Kunstmarkt.« Ich brachte nur ein Flüstern zustande. »Er ist Puppenmacher.«
    Wenn Noah der Kragen geplatzt wäre, hätte ich damit umgehen können. Doch stattdessen blickte er mich enttäuscht und vielleicht sogar ein wenig angewidert an. Ich hoffte, dass ich mir das Letztere aufgrund meines schlechten Gewissens nur einbildete.
    »Woher wusstest du, dass er es war?« Keine Vorwürfe, nur eine einfache Frage.
    »Ich kannte ihn aus ihrem Traum. Ich habe sein Gesicht gesehen. Er besaß zudem eine Puppe, die genauso aussah wie Amanda. Ich glaube, er hat ihr Haar dafür verwendet.«
    »Ich verstehe.« Noah drehte sich um, ging ein paar Schritte und stützte sich mit einer Hand an der Wand ab. Steif und wortlos blieb er stehen und wandte mir den Rücken zu. War er wütend auf den Vergewaltiger oder auf mich? Oder auf uns beide?
    Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen – irgendetwas, damit er verstand, warum ich so gehandelt hatte.
    Doch Noah sprach zuerst. »Er hat zu Amanda gesagt, sie würde eine schöne Puppe abgeben.«
    »Was?« Jetzt war ich zur Abwechslung wie vor den Kopf geschlagen. Das war kein schönes Gefühl.
    Als sich Noah zu mir umdrehte, wirkte sein Gesicht so ausdruckslos, dass ich ein wenig erschrak. »Als er sie vergewaltigte.

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