Wächterin der Träume
Doch Phillip glich auch so sehr dem Mann, in den sie sich verliebt hatte … Wenn sie Sex mit ihm hatte, war es, als wäre sein Vater wieder da. Gleichzeitig sorgte sie so dafür, dass er sie niemals verlassen würde – und dafür verachtete sie ihn noch mehr.
Verdammt, diese Frau konnte ich nicht lange bleiben. Ich hätte nicht so viel von ihr in mich aufnehmen sollen.
Ich legte die Hände auf seine Schultern. Er war so warm und muskulös unter meinen Fingern! So herrlich jung und stark. In meiner neuen Gestalt war ich kleiner als er, aber ich fühlte mich, als wäre ich drei Meter groß. »Sieh mich an, Phillip.«
Er rührte sich nicht.
»Phillip!«
Langsam drehte er sich um. Ich nahm die Hände von seinen Schultern und strich über seine Arme. Er wandte sich mir zu. Sein Gesicht, das mir zuvor unauffällig erschienen war, wirkte nun so attraktiv und lebendig wie das seiner Mutter.
Seine
Mutter
. Guter Gott.
»Was hast du getan?«, fragte ich.
»N… nichts.« An seinen Augen sah ich, dass er log.
Ich lächelte ihm zu. »Lüg Mama nicht an. Ich weiß über diese Mädchen Bescheid.« Ich hatte das Richtige gesagt, denn Phillips Gesicht verlor alle Farbe, und seine Augen weiteten sich. Über Mädchen hatten sie sich schon früher gestritten. Seine Mutter mochte es nicht, wenn er andere Frauen ansah oder mit Mädchen ausging.
»Außer mir will dich keine, Phillip, mein Schatz«
, hörte ich ihre Stimme in meinem Kopf, so klar und deutlich, wie auch Phillip sie vernahm.
»Ich bin die einzige Frau, die dich liebt.«
Jetzt wusste ich, woher Phillips spezielle Verrücktheit stammte. Nicht besonders professionell von mir, aber im Augenblick war ich nicht ich selbst.
»Ich wollte nicht –«
»Schsch.« Ich brachte ihn zum Schweigen, indem ich ihm einen Finger auf die Lippen legte und drückte, bis ich den harten Wall der Zähne hinter dem weichen Fleisch spürte. Er zitterte. »Lüg mich nicht an.«
Er nickte unbeholfen, als hätte er einen steifen Nacken, und ich nahm den Finger weg. Am liebsten hätte ich die Feuchtigkeit an meiner Kleidung abgewischt, aber ich unterdrückte den Impuls. »Mama« würde so etwas nicht tun.
»Ich musste es einfach machen«, sagte er.
Lächelnd tätschelte ich ihm die Schulter. »Ich weiß. Du konntest dich noch nie beherrschen. Dabei nahm ich an, ich hätte es dir beigebracht.«
Wenn ich daran dachte, welche Art von »Selbstbeherrschung« ihm diese Frau beigebracht hatte, überlief es mich kalt. Igitt.
»Ich bin sehr enttäuscht von dir, Phillip.« Ich fuhr ihm mit den Fingern durchs Haar. Normalerweise wäre das eine sehr mütterliche Geste gewesen, aber ich empfand es als bedrohlich. »Du warst ein abscheulicher kleiner Mann, und jetzt muss jemand deinen Dreck wegputzen – mal wieder.«
Das war mir so rausgerutscht, während ich Phillips Traum folgte. Was hatte er getan, dass sie auch früher schon seinen Dreck hatte wegputzen müssen? Was wusste seine Mutter von seinen Verbrechen? Und warum zum Teufel hatte sie ihn nicht daran gehindert?
Vielleicht, weil ihre Mitwisserschaft ihr noch mehr Macht über ihn verlieh.
Er ließ den Kopf hängen. »Tut mir leid.«
»Leidtun reicht diesmal nicht, Phillip.« Immer wieder nannte ich seinen Namen, weil ich wusste, wie sehr er ihn hasste. »Dieses Mal musst du ein Mann sein und die Verantwortung übernehmen.«
Er hob die bleichen Augen und blickte mich an wie ein verängstigter kleiner Junge. »Was soll ich tun?«
»Du musst zur Polizei gehen und ihr erzählen, was du getan hast.«
Mit störrisch vorgeschobenem Kinn schüttelte er den Kopf. »Nein, das mache ich nicht. Du kannst mich nicht dazu zwingen.«
»Phillip!«
Noch immer kopfschüttelnd, wich er vor mir zurück. »Nein!« Sein Gesicht verzerrte sich vor Missmut und Zorn. »Ich tu’s nicht! Ich tu’s nicht!«
Da versetzte ich ihm einen schallende Ohrfeige, dass mir die Handfläche brannte. Sie hinterließ einen knallroten Abdruck auf seiner Wange. Er verstummte.
»Du musst«, sagte ich. »Dieses Mal putze ich nicht hinter dir her. Sie wissen, dass du es warst. Wenn du gestehst, werden sie nachsichtiger mit dir sein.«
»Sie wissen nicht, dass ich es war.« Erneut schüttelte er den Kopf. »Keiner weiß es.«
Als ich in seine Augen starrte, erschreckte mich die vollkommene Leere, die ich darin sah. »Die Polizei weiß Bescheid, Phillip.« Ich versuchte, ihn wieder unter meine Kontrolle zu bekommen. »Sie haben Beweise gefunden. Sie wissen, dass du es
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