Wächterin der Träume
kämpfen?«
Meine Augen brannten. Gleich würde ich die Beherrschung verlieren und dieses Miststück mit Vergnügen in der Luft zerreißen.
Doch da war sie auf einmal fort. Alles war fort. Als hätte eine Riesenhand mich mit einem gewaltigen Stoß aus dem Traumreich zurück in die Welt der Sterblichen geschleudert. Ich kam sogar ins Stolpern, als ich auf dem Boden auftraf.
Ich war in meinem Büro. Allein. Die Oberste Wächterin hatte mich rausgeschmissen wie einen Sack schmutziger Wäsche.
Ich hätte Morpheus von unserer Auseinandersetzung erzählen können, aber dann hätte ich ihm auch verraten müssen, was ich getan hatte. Doch er musste erfahren, dass die Oberste Wächterin an der Verschwörung gegen ihn beteiligt war. Irgendwie würde ich einen Weg finden, es ihm mitzuteilen, selbst wenn ich ihm dafür alles beichten musste.
Du lieber Himmel, was war nur mit mir los? Warum fürchtete ich mich derart vor den Männern in meinem Leben, dass ich erst dann vollkommen ehrlich zu ihnen war, wenn es nicht mehr anders ging?
Als mein Zorn verraucht war, ließ ich mich in den Sessel plumpsen, in dem ich während der Therapiesitzungen immer saß, und vergrub das Gesicht in den Händen. Sie hatte Phillip laufenlassen. Jetzt würde er sich nicht mehr stellen. Und ich konnte nichts daran ändern.
Wie sollte ich Noah nur beibringen, dass ich versagt hatte? Wie konnte ich Amanda gegenübertreten mit dem Wissen, dass mein Plan so grandios gescheitert war?
Ich hatte mich von Phillips Widerwärtigkeit – und der Bosheit seiner Mutter – wie von einer Folie einwickeln lassen. Ich hatte zugelassen, dass meine eigene dunkle Seite die Oberhand gewann. Ich war ausgesprochen gemein zu Noah gewesen, und das alles für nichts und wieder nichts.
Ich wünschte, behaupten zu können, dieser negative Einfluss sei schuld daran gewesen, dass ich mich gern an der Obersten Wächterin gerächt hätte, aber so war es nicht. Das war hundertprozentig ich. Wir beide hatten noch eine Rechnung offen, und eines Tages würde ich sie begleichen.
Da die Zeit im Traumreich anders ablief, waren im richtigen Leben erst wenige Augenblicke vergangen, als ich schließlich Bonnie über die Sprechanlage bat, Noah hereinzuschicken.
Ich hatte mein Make-up ein wenig aufgefrischt – zumindest genug, um die Röte zu verdecken, die mir bei der Auseinandersetzung mit der Obersten Wächterin in die Wangen gestiegen war –, und meine Knie hatten aufgehört zu zittern.
Noah musste bei einer Besprechung oder Ähnlichem gewesen sein, denn er trug zu seiner Jeans ein frisches weißes Hemd und ein schwarzes Jackett. Die Stiefel waren blank geputzt, und sein Haar glänzte, auch wenn es noch immer ein wenig abstand. Er sah gut aus. Zum Anbeißen.
Mit verkrampftem Lächeln erhob ich mich, als er die Tür hinter sich schloss. »Du bist aber schick!« Ich war ja wirklich eine Meisterin der Konversation!
»Hab mich mit einem Galeriebesitzer getroffen«, antwortete er. »Bist du beschäftigt?«
»Nein. Für heute bin ich fertig.« Wir blickten uns an. »Bist du mir noch böse?«, fragte ich schließlich.
»Ein bisschen«, erwiderte er mit einem leichten Lächeln und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Ich dachte, du würdest vielleicht gern ausgehen. Wir haben schon lange nichts mehr in der Art unternommen.«
Also hatte er wohl doch nicht die Absicht, Schluss zu machen. Gott sei Dank. »Gern«, antwortete ich. »Aber zuerst muss ich dir was erzählen.«
Er zog die Brauen zusammen. »Was denn?«
Ich trat zu ihm. Eigentlich wollte ich nur ein wenig näher bei ihm sein, doch plötzlich, ohne dass ich wusste, wie es kam, lag ich in seinen Armen. »Es tut mir leid, dass ich dir nichts von der Begegnung mit Durdan erzählt habe. Du hattest recht, Noah, ich hab’s vermasselt.«
Er wurde ganz still, doch seine starken, warmen Arme umfingen mich noch immer. »Stimmt. Aber das wäre nicht passiert, wenn ich dir erzählt hätte, was ich von Amanda gehört habe.«
Ich zwang mich, ihm in die Augen zu sehen. Erneut verspürte ich diese Furcht, doch ich ging dagegen an. Dieses Mal wollte ich ehrlich zu ihm sein. »Nein, ich meine,
richtig
vermasselt. Die Oberste Wächterin hat herausgefunden, was ich mit Durdan angestellt habe, und es wieder rückgängig gemacht. Jetzt wird er doch kein Geständnis ablegen.« Ich war den Tränen nahe. Ach verdammt, ich fühlte mich beschissen und war müde und wollte nicht, dass Noah sauer auf mich war! »Es tut mir so
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