Wächterin der Träume
beschützen. Das weiß ich, weil Hadria und Verek mir die Gesetze beibringen. Aber vielleicht hast ja auch
du
recht. Wir können jederzeit Morpheus danach fragen.«
Zwei knallrote Flecke erschienen auf ihren Wangen, und ihre Augen glitzerten wie auf Jade getrimmter Onyx. »Er würde sich bestimmt freuen zu hören, dass du seine Gesetze übertreten und Madrene wieder mit ihrem Lover zusammengebracht hast.«
Damit ließ ich mich nicht ärgern, denn ich hatte vor, ihm das höchstpersönlich zu erzählen. »Du nennst deine Mutter Madrene?«
Die Farbe wich aus ihrem Gesicht.
»Morpheus wäre bestimmt sehr interessiert zu erfahren, was du deiner Mama über mich erzählt hast. Fast genauso interessiert wie an der Tatsache, dass du Noah bedroht hast.«
Für eine Sekunde – eine äußerst angenehme Sekunde – wirkte sie ängstlich. Doch sofort kehrte ihre höhnische Überheblichkeit zurück. »Sieh dich mit deinen Spielchen vor, kleine Dawn, du könntest dabei zu Schaden kommen.«
Ich straffte mich. »Hör auf, mir zu drohen.«
Sie hob eine Schulter. Wäre sie eine Sterbliche gewesen, hätte ich sie für eine Französin gehalten, so ausdrucksvoll war dieses kleine Achselzucken. Auf jeden Fall drückte es absolute Gleichgültigkeit aus. »Ich wollte dich nur warnen.«
Entgegen meinem Entschluss, genauso cool zu bleiben wie meine Gegnerin, runzelte ich die Stirn. »Warum hasst du mich eigentlich so sehr?«
Die Frage schien Padera nicht im Geringsten zu überraschen. »Ich hasse, wer du bist und was du bist. Ich hasse, was du unserer Welt angetan hast.«
»Ich habe gar nichts getan.« Klang das jämmerlich? Mit fester Stimme fuhr ich fort: »Die merkwürdigen Vorfälle begannen schon vor meiner Geburt.«
»Aber du bist die Schlimmste von allen. Verstehst du denn nicht?« In ihrer Stimme lag eine Leidenschaft, bei der ich mich unbehaglich fühlte – als hätte ich es mit einem Patienten zu tun, der kurz vor einem psychotischen Schub stand. Das war noch nicht oft vorgekommen, aber es hatte mir jedes Mal eine Scheißangst eingejagt. »Du bist unser aller Ende.«
»Das klingt ein wenig theatralisch, findest du nicht auch?«
Die Lippen der Obersten Wächterin wurden schmal. »Wenn dir etwas an dieser Welt gelegen wäre, würdest du dich auslöschen lassen und ganz und gar zu einer Sterblichen werden.«
»Wenn
dir
an dieser Welt gelegen wäre, würdest du keine Verschwörung gegen deinen König anzetteln.«
Sie lachte, widersprach mir jedoch nicht. »Hast du dich noch nie gefragt, warum Noah dich nicht in seine Träume lassen will?«
Bei dem Gedanken daran, dass sie gegen seinen Willen in Noahs Träume, seine geheimsten Gedanken, eindrang, brachte mich in Rage. Nicht nur das, sie wusste obendrein Dinge, die ich nicht wusste und die Noah mir niemals erzählen würde. Dabei spielte es keine Rolle, dass sie heimlich an dieses Wissen gekommen war. »Wenn es etwas gäbe, was ich wissen soll, würde er es mir sagen.«
Ihr Lächeln war ölig und selbstgefällig – und so drohend wie ein gezückter Dolch. »Ich weiß, was er dir verschweigt, und ich kann es gar nicht erwarten, dass du herausfindest, wer er in Wahrheit ist.«
Da geschah es. Kurz darauf wusste ich, wie sie reagierte, wenn ich ihr eins auf die Schnauze gab. Es fühlte sich gut an, wie ihre Lippe unter meinen Knöcheln aufplatzte. Irgendwie störte es mich sogar nicht, als mir ihre Zähne die Haut aufrissen.
Sie taumelte rückwärts und fiel hin, die Hand auf den Mund gepresst, um die Blutung zu stillen. »Habe ich jetzt irgendein Gesetz übertreten?«, fragte ich zuckersüß.
Die Oberste Wächterin wollte lächeln, zuckte dann jedoch zusammen und ließ es sein. Doch ihre Augen leuchteten so triumphierend, dass ich genau wusste, wohin ich bei meinem nächsten Schlag zielen musste. »Dafür wirst du mir bezahlen.«
»Wie hoch der Preis auch ist – das war es mir wert«, entgegnete ich mit höhnischem Grinsen.
Das Leuchten in ihren Augen erlosch. »Das werden wir sehen,
Prinzessin
. Du hast ja keine Ahnung, wozu ich fähig bin.«
Noch eine Drohung. Meine Handflächen juckten, so gern hätte ich ihr noch eine verpasst. »Wenn du jemandem, der mir nahesteht, etwas tust …«
Sie machte einen Satz auf mich zu, bremste aber im letzten Augenblick ab. Mir blieb nur Zeit, abwehrend die Fäuste zu heben. »Wenn ich jemandem etwas tue, Prinzessin, dann
dir!«
Ich grinste und fragte mich zugleich, wieso. Schließlich bedrohte mich dieses alte Ekel! »Nur
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