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Während die Welt schlief

Während die Welt schlief

Titel: Während die Welt schlief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Abulhawa
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Spiegel stand und mich entschied, drei Jahrzehnte später nach Jenin zurückzukehren.
    Nach vier Stunden Verhör und einer unbeschreiblichen Leibesvisitation am Flughafen Lod durften Sara und ich endlich passieren.
    »Sara!«, rief eine männliche Stimme.
    Meine Tochter rannte an mir vorbei und landete in den Armen eines jungen, hübschen Mannes. Erst als ich David hinter ihm stehen sah, ging mir auf, wer der Junge war. Sara und ihr Cousin Jakob hatten seit dem Tag, als David in unser Leben getreten war, miteinander korrespondiert. Jakob, der jüngere
von Davids Söhnen, war dreiundzwanzig und seinem Vater sehr ähnlich. »Schalom, Tante Amal«, sagte er zu mir, mit einem freundlichen, jugendlichen Lächeln, das ich nicht erwartet hatte. Tante Amal, Schalom.
    »Hallo, Jakob«, antwortete ich, und um meine Verlegenheit zu verbergen, wandte ich mich David zu, der mich in seine kräftigen Arme schloss. Ganz klein an seiner großen Brust fühlte ich mich wie in Yussufs Armen, ja, ich erschnupperte sogar Yussufs Geruch, wie damals mit zwölf, als ich in Yussufs Umklammerung verharrte, nachdem er im Jahre 1967 nackt von den Toten zurückgekehrt war. Der Kragen seiner geliehenen Kleidung hatte meine Haut gereizt, genauso wie das Nike-Logo von Davids Hemd jetzt an meiner Wange scheuerte.
    »Es tut gut, dich wiederzusehen, meine liebe Schwester«, bemerkte er.
    »Ich freue mich auch, David, wirklich.«
    Vor der Fahrt zu Davids Haus in Netanya wollte ich Jerusalem sehen. Beim Waisenhaus anhalten und Ari Perlsteins Büro ausfindig machen.
    »Jerusalem liegt aber in der entgegengesetzten Richtung«, erklärte David, und so ließ ich meinen Plan fallen. Er hatte immer noch denselben gequälten Blick. Darin lagen der Schmerz, ausgeschlossen zu sein, und der Schock, den eine verfälschte Identität hinterlässt.
    Ari Perlstein wird warten müssen , dachte ich, obwohl Ari nicht die geringste Ahnung von meinem bevorstehenden Besuch hatte. Vor meinem Abflug hatte ich ihn über das Internet aufgespürt, mich aber nicht getraut, ihn anzurufen. Was hätte ich denn schließlich auch sagen sollen? Ich bin Hasans Tochter, erinnern Sie sich an ihn? Oder: Hallo, erraten Sie, wer Sie anruft? Ich
helfe Ihnen ein bisschen: Versetzen Sie sich fünfzig, sechzig, siebzig oder mehr Jahre zurück. Noch ein Tipp: Ein Hod, klingelt es jetzt bei Ihnen? Ha ha. Nein, unmöglich.
    »Dr. Perlstein?«
    »Ja.« Ein kleiner Kopf tauchte aus dem Meer von Büchern auf, die das winzige Büro des Professors fast zum Platzen brachten.
    »Kann ich vielleicht einen Augenblick Ihrer Zeit in Anspruch nehmen? Ich habe eine lange Reise hinter mir, um Sie zu treffen.«
    »Entschuldigen Sie, in meinem Alter lässt einen das Gedächtnis manchmal im Stich. Kenne ich Sie?«, fragte er mich so warmherzig, wie ich ihn mir vorgestellt hatte.
    »Nein, aber ich glaube, Sie kannten meinen Vater, Hasan. Hasan Abulhija.«
    Alles im Raum, die Bücherwände, die kiloschweren Staubschichten, der zerstreute alte Professor, schien tief Luft zu holen. Dann schnellten Aris Augen, die hinter seiner Bifokalbrille vergrößert wirkten, unter den buschigen Augenbrauen nach oben. Ruckartig manövrierte sich die kleine Person um den unaufgeräumten Schreibtisch herum und kam hinkend, wie früher, auf mich zu. Inzwischen war noch ein Schlurfen dazugekommen.
    »Ya allahi!«, flüsterte er auf Arabisch, und dann stand er vor mir. Mit zitternden, von Altersflecken übersäten Händen wischte er sich ungeduldig die Tränen aus den Augen. »Ist Hasan hier?«, fragte er mit erstickter Stimme, erschöpft von der plötzlichen Verzweiflung über die gestohlene Vergangenheit, erschöpft von dem starken Bedürfnis, etwas über seinen alten Freund zu erfahren und ihn wiederzusehen.
    »Nein. Wir glauben, dass er 1967 getötet worden ist.«

    Wir glauben, dass er 1967 getötet worden ist. Ich hatte diese Worte bis jetzt weder ausgesprochen, noch hatte ich gewusst, dass ich tatsächlich daran glaubte.
    Nach endlosem Schweigen sagte er freundlich zu mir: »Sie sehen Dalia ähnlich.« Dabei huschte ein sanftes, großväterliches Lächeln über sein Gesicht. »Setzen Sie sich doch!«
    »Draußen warten noch mehr Leute, die Sie auch gern kennenlernen würden, Sir. Meine Tochter Sara, mein Bruder, David Avaram und sein …«
    »David Avaram … Abulhija?«, unterbrach er mich, sichtlich verwirrt wegen des jüdischen Namens.
    »Nein, nur David Avaram. Das ist eine lange Geschichte … Wenn Sie Zeit haben, erzähle ich

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