Während die Welt schlief
symbolische Dauerhaftigkeit dieses Obdachs war für ihn unerträglich. Er hätte lieber weiter im Zelt gewohnt, dessen undichtes Dach und schlammiger Fußboden ein zeitlich begrenztes Exil zu garantieren schienen.
In den Jahren, die sie in der Zeltstadt ausharrten, wachte Yahya für gewöhnlich beim Adhan auf und schlug die Zeit damit tot, zwischen rationierten Mahlzeiten und den fünf täglichen Gebeten auf seiner Nai zu spielen. Die Liebe seiner Familie und die täglichen Backgammon-Spiele mit Haj Salim und Jack O’Malley, der den UNO-Einsatz in Jenin leitete, spendeten ihm ein wenig Trost. Die drei Männer waren ab dem Nachmittag bis acht Uhr abends oder später unzertrennlich, je nachdem, wie gut das Spiel lief oder wie gut die Hukas präpariert waren.
Doch in den mehr als sechzig Jahren seines Lebens hatte
Yahya sich an den aktiven Alltag eines Bauern gewöhnt. Die Planlosigkeit, die das Leben im erzwungenen Exil prägte, verfinsterte seine Laune und beugte seinen Rücken. Die reihenweise gebrochenen Versprechen und UNO-Resolutionen, die das Papier nicht wert waren, auf dem sie standen, nagten an ihm und machten ihn einsilbig, und er schlurfte umher wie einer, den das Warten zermürbt hatte. Zermürbt durch den stummen Protest seiner Hände, die etwas zu tun haben wollten.
Doch etwas an dem Lehm, aus dem seine neue Behausung nun bestand, vielleicht die Art, wie dieser ihn in die Erstarrung zu zwingen schien, riss Yahya aus seiner Resignation. Eines frühen Morgens im November 1953 gab er Dalia einige Kleidungsstücke.
»Ya binti«, sagte Yahya, »kannst du diese Sachen blütenweiß waschen?«
Dalia nahm die Kleidungsstücke und drückte sie in die Seifenlauge. Den Rücken über den Waschzuber gebeugt, hob sie den Kopf – ein paar Haarsträhnen stahlen sich unter ihrem Kopftuch hervor – und sah ihren Schwiegervater davongehen. Seine Stimmung hat sich gebessert, Allah sei Dank .
In seinen langen weißen Unterhosen und einem weißen Unterhemd saß Yahya auf einem Felsen bei seiner Lehmhütte und lehnte sich in den Wind. Er atmete mit Bedacht ein, schloss die Augen und entlockte der Nai an seinen Lippen mit dem Ausatmen eine neue Melodie. Dies war nicht die traurige Musik des Wartens. Es war auch keine Melodie seiner Vorfahren. Es war eine Anrufung der Erde, eine Anrufung Allahs. Eine Anrufung der Landschaft, die seine Seele erfüllte. Die Weise erregte die Aufmerksamkeit von Passanten, rührte an ihre Herzen und ließ sie unerklärlicherweise die Köpfe neigen. Yahya spielte jeden Morgen auf seiner Nai, mit hochgezogenen Brauen und meist mit geschlossenen Augen. Als er geendet
hatte, ging er in seine Behausung und trat mit seinem Rasierzeug wieder heraus – einer Klinge, einem Lederriemen und der Scherbe eines zerbrochenen Spiegels. Er setzte sich aufrecht hin, grub seine schwieligen alten Füße in den Staub und atmete tief durch.
Die Oliven sind reif.
Er rasierte sich. Er zwirbelte seinen Schnurrbart zu zwei perfekten, nach oben gedrehten Locken und fixierte sie mit Gummiwasser.
Trauben und Feigen sind sicher schon abgefallen und verfaulen auf dem Boden.
Würdevoll, wie es seinem Alter gebührte, streifte er ein Kleidungsstück nach dem anderen über, zog seine beste Dishdasha an, schlüpfte in eine Jacke, die ihm zu groß war, schlang sich eine rot karierte Kufiya um den Kopf und fixierte sie mit einem gedrehten schwarzen Iqal.
Sicher hat der Oktoberregen den Boden schön gelockert.
Und als stolzer Mann trat er aus dem Zelt.
Und als stolzer Mann trat er aus dem Zelt.
Als ihm klar wurde, was Yahya im Schilde führte, mahnte Haj Salim ihn zur Besonnenheit: »Ya Abu Hasan, ich weiß, was du vorhast. Es ist November, wir spüren es alle. Aber es ist zu gefährlich. Sei kein Dummkopf, mein Freund. Wahhid Allah!«
»La illaha illa-Allah« – es gibt keinen Gott außer Allah – antwortete Yahya auf Haj Salims Appell, hörte aber schon nicht mehr zu. Jack O’Malley versuchte erst gar nicht, Yahya aufzuhalten. Er legte ihm seine rundliche weiße Hand auf die Schulter und sagte mit seinem irischen Akzent: »Sei vorsichtig, mein Bruder. Dein Stuhl und deine Huka erwarten dich in Beit Jawads Kaffeehaus, bleib also nicht so lange weg.«
Als Hasan versuchte, seinen Vater zu stoppen – »Ya abuya, bitte. Sie werden dich töten« –, fixierte Yahya seinen Sohn mit
der über jeden Zweifel erhabenen, unumstößlichen Autorität eines arabischen Patriarchen. Dann drehte er sich um und marschierte mit der
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