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Während die Welt schlief

Während die Welt schlief

Titel: Während die Welt schlief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Abulhawa
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Zielstrebigkeit und dem Stolz von einst – wenn auch mit einem Stock – die Gasse bis zur Grenze des Lagers hinab, überschritt sie, ließ das nie zu Ende gegangene Jahr 1948 hinter sich und gelangte ins jetzige Israel. Er wanderte durch eine Landschaft, die er besser kannte als die Linien seiner Hand, bis er schließlich seinen Bestimmungsort erreichte.
    Sechzehn Tage später kehrte Yahya zerlumpt und schmutzig, mit zerzaustem Bart und strotzend vor Vitalität zurück. Die Kufiya, die er bei seinem Aufbruch getragen hatte, hatte er zu einem Bündel umfunktioniert und über die Schulter geworfen. Ihr Gewicht zu spüren erfüllte ihn mit einem Glücksgefühl. Unentdeckt von Soldaten, war Yahya nach Ein Hod heimgekehrt. »Dieser Boden ist mein Blut!«, rief er aus. »Ich kenne jeden Baum und jeden Vogel. Für die Soldaten gilt das nicht.«
    Tagelang hatte er seine Felder durchstreift, seine Johannisbrotbäume und Feigenbäume begrüßt, so aufgeregt, als hätte er seine Familie wiedergefunden. Er hatte nachmittags zufrieden im Baumschatten geschlafen, wie er es sein ganzes Leben lang getan hatte. Der alte Brunnen, an dem der Soldat auf Darwish und Fatuma geschossen hatte, war noch da, und Yahya hatte einen Eimer an den Ranken eines süß duftenden Geißblatts festgebunden, um Wasser zu schöpfen. Er hatte das Grab seiner Frau besucht, wo die roten Rosen mit den weißen Streifen trotz aller Zerstörung wieder aufgeblüht waren. Er hatte die Fatiha für Basimas Seele gelesen und – das schwor er! – mit ihrem Geist gesprochen.
    Fast dreißig Jahre später, den Schnurrbart genauso gezwirbelt wie sein Großvater, sollte Yussuf sich an den gelben Lehm erinnern, der an Yahyas Zähnen klebte, als er nach sechzehn
Tagen aus dem Paradies seiner Sehnsucht zurückkehrte. Mit trotzigem Ernst und in seinen vornehmsten Kleidern hatte Yahya das Lager verlassen – bei seiner Rückkehr sah er aus wie ein fröhlicher Bettler. Er hatte so viele Früchte und Oliven dabei, wie er in seiner Kufiya, seinen Taschen und seinen Händen tragen konnte. Trotz seines Aussehens war er euphorisch. Man begegnete ihm, der als Einziger skrupellose Soldaten ausgetrickst hatte und dem etwas gelungen war, was fünf große Nationen nicht zustande brachten, mit großer Hochachtung. Er war heimgekehrt. So kurz und ungewiss seine Rückkehr in die Heimat auch gewesen sein mochte, er hatte es geschafft.
    Yahyas Verwegenheit weckte die Lebensgeister der Flüchtlinge, die genug hatten von den Versprechen der Vereinten Nationen und durch die 1948 erlebte Erniedrigung lethargisch geworden waren. In Yussuf, der noch keine zehn Jahre alt war, ließ die Heldentat seines Jiddu, die sich in seinen Erinnerungen an die schreckliche Vertreibung festsetzte, einen Hang zur Aufsässigkeit keimen. In der glücklichsten Zeit seines Lebens, etwa dreißig Jahre nach Yahyas wagemutiger Reise, erzählte Yussuf seiner Schwester Amal von ihrem Großvater, den sie nie kennengelernt hatte.
    »Es war ein fantastischer Anblick«, sagte er. »Er war so glücklich. Mitten in der Stadt wickelte er ein Bündel Feigen, Zitronen, Trauben, Johannisbrot und Oliven aus, als wären es eine Million Golddinar. Er hörte gar nicht mehr auf zu lächeln. Unser Jiddu war ein großer Mann.«
    »Wie Baba«, fügte Amal hinzu.
    »Ja, wie unser Vater.«
    Die Stammesväter und Stammesmütter hielten in der Nacht, in der Yahya zurückkam, eine feierliche Wache. Sie teilten seine Mitbringsel und ließen sie sich buchstäblich auf der Zunge
zergehen, ließen die Oliven im Mund tanzen, ehe sie das Sakrament nahmen. Diese Früchte, die vierzig Generationen währende harte Arbeit hervorgebracht hatte, mundeten ihnen, als wären sie das Elixier Palästinas, in Jahrhunderten gereifter Nektar.
    »Koste mein Land, Jack! Koste es! Dieser Haufen ist nur für dich und den Haj!« Yahya war überschwänglich, die Heimkehr hatte seine Großzügigkeit geweckt.
    Die Dorfbewohner aßen, lachten, weinten, tanzten und sangen die traurigen und fröhlichen Balladen von einst, verglichen ihre Erinnerungen mit Yahyas Beschreibungen. Die Häuser im östlichen und westlichen Teil Ein Hods standen noch, waren aber verlassen, und in den Vorratskammern stapelten sich Gläser mit Eingemachtem und Marmelade, die schon fünf Jahre zuvor dort gestanden hatten, als die Dorfbewohner vertrieben worden waren. Yahya hatte sich selbst bedient. »Besser, ich esse die Sachen auf, als sie den Juden zu überlassen.« Ja, ja. Auch Kleider hatte er

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